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Interview mit Byrdi (11.03.2015)

Byrdi

Einen überraschend vielseitigen und intensiven Trip in die trollische Natur seiner Heimat hat das norwegische Duo BYRDI vor einer Weile mit dem Debut-Album „Eventyr“ vorgelegt. Die sehr geschmackvoll gestaltete Platte dürfte Hörer jenes nordischen Folks begeistern, der im Schatten des Black Metal seit ULVERs „Kveldssanger“ wild wuchert und sprießt. Die beiden Hauptverantwortlichen bei BYRDI, Nash und Jørn, nahmen sich gerne die Zeit, um einige Nasensteine aus ihren grässlich-hässlichen Zinken herausoperieren zu lassen...

Hi Nash, hi Jørn! Ich hoffe, Euch geht's gut und Ihr seid bereit für ein Interview über das erste abenteuerliche Kapitel von BYRDI?

Nash: Wir sind in der Tat bereit, die Leser von Musikreviews.de über BYRDI aufzuklären. Dank dir, Thor, dass Du uns dazu die Gelegenheit gibst.

“Eventyr” ist nun bald drei Monate erhältlich, hat jedoch einige Zeit zuvor in Anspruch genommen – seid Ihr mit dem Resultat zufrieden?

Nash: Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden, doch noch zufriedener sind wir mit der Reise, die wir bis zur Veröffentlichung von „Eventyr“ unternommen hatten. Die Musik ist in vielerlei Hinsicht Ergebnis dieser Reise, und sie bestand zu wesentlichen Teilen aus Ritualen, die wir auf Kassette aufgenommen haben, um den Hörern eine Ahnung der Stimmungen während unserer Zeremonien und Rituale zu geben.

Jørn: Wir haben rund anderthalb Jahre darauf verwandt, dieses Album zu erschaffen und wir sind sehr glücklich mit dem Endresultat, vor allem wenn man bedenkt, dass wir über alles selbst die Kontrolle und keine Unterstützung hatten.

Einige Eurer Lieder sind eher meditativ, während andere recht lebendig klingen, vor allem jedoch überraschend stark fokussiert. Anstatt Euch auf standardisierte Arrangements zu verlassen, legt Ihr Wert auf verschiedenartige Gesangsformen, Stimmeffekte und individuelle Arrangements, die der jeweiligen Komposition gerecht werden. Welche ursprünglichen Visionen haben Euch solch einen persönlichen und gefühlvollen Zugang realisieren lassen?

Nash: Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der Musik um eine Manifestation unserer Reise, auf der wir bestimmte Rituale und Zeremonien durchgeführt haben. BYRDI ist ein Teil unserer Körper und unserer Seelen, und was wir damit zum Ausdruck bringen, gehört zu unseren innersten Gefühlen und Ideen. Wir sind zudem überzeugte Anhänger der Idee, dass sich Kunst im Hier und Jetzt ereignet – wir quälen uns nicht stundenlang mit einem Riff, Gesangsharmonien oder Arrangements herum. Wir sind Katalysatoren für die Energien, die wir mit unserem Glauben und unseren Ideen zum Leben erwecken. Wenn ein Lied also etwas anderes benötigt als ein anderes, dann liegt es daran, dass der Zauber des Augenblicks dazu führt. Wir erzählen nicht dem Energiefluss, wohin er zu fließen hat, sondern wir kanalisieren seine Energie in BYRDI. Dabei haben wir das Gefühl, etwas von uns abzugeben, etwas vom Zauber und Mysterium zu offenbaren, wenn wir sie in der Musik erklingen lassen. Darum halten wir uns zurück, wenngleich wir in der Musik nicht unsichtbar werden können.

Jørn: Für mich ist BYRDI als Komponist etwas ganz anderes als meine Metal Bands. Ich bin es gewohnt, Musik innerhalb völlig anderer Strukturen zu erschaffen, doch alles hat sich wie von alleine gefügt. Ich musste meine Musik mit Nashs Texten in Einklang bringen und das gab mir die Inspiration, beim Komponieren ganz andere Wege zu beschreiten. Da die Musik zudem auf Ritualen und Zeremonien aufbaut, wurden die Arrangements ohnehin auch stark davon beeinflusst.

Wie wichtig ist Euch bei alledem ein spielerischer Zugang?

Nash: Eine spielerische und spontane Einstellung ist bei BYRDI wesentlich, um den gewünschten Ausdruck zu verwirklichen. Es geht darum, alle gewöhnlichen Grenzen und Vorannahmen auszublenden. Wir stoßen fortwährend auf neue inspirierende Abgründe und verschiedene Energiefelder und arbeiten einfach damit.

Was bedeutet eigentlich der Name BYRDI?

Nash: BYRDI bedeutet so viel wie Last („burden“), also Gewicht, jedoch nicht in einem negativen Sinne. Der Name symbolisiert die Last, die wir auf unseren Schultern tragen, damit die Menschen wieder etwas über ihre Vorfahren und ihr Erbe erfahren. Auch wenn es der Antwort von eben widersprechen mag, als es darum ging, dass wir etwas von uns fortgeben. Wir müssen also aufpassen, welche Last wir dem Hörer aufschultern, haha.

Wenn ich das richtig mitbekommen habe, habt Ihr Euren eigenen Aufnahmeraum im Wald konstruiert, was für einige Musiker ein feuchter Traum sein dürfte, egal, ob es sich dabei um Kreative im Black Metal, Folk oder was auch immer handelt. Könnt Ihr uns ein bisschen mehr darüber erzählen, und wie sich die Anstrengung in Eurer Wahrnehmung der Umgebung und diese wiederum in Eurer Musik spiegelt?

Jørn: Unser Aufnahmeraum wurde nicht vor der Veröffentlichung fertiggestellt, also konnten wir ihn nicht für „Eventyr“ nutzen, doch wir nahmen an etlichen anderen Orten draußen im Wilderland auf. Jeder Ort hat der Musik seinen Stempel aufgedrückt und daher klingen die Lieder auch so unterschiedlich. Wir haben das Album nicht nur in verschiedenen Gegenden über einen langen Zeitraum komponiert, sondern auch in diesem langen Prozess hier und dort aufgenommen. In dieser Hinsicht ist jeder Teil des Albums eine Photographie und “Eventyr” das Photoalbum.

Nash: Das neue Studio wird für uns zukünftig ein großer Gewinn sein, da die Umgebung, wie wir sie uns für die Aufnahmen wünschen, nahe unserer Heime liegt. Dieser Ort ist gleichzeitig so abgelegen, dass er uns das Gefühl vermittelt, außerhalb der hektischen Gesellschaft dieser Tage treten und in die Vergangenheit eintauchen zu können. Es ist ein Ort der Meditation und Zeremonien.

In meiner Rezension habe ich sinngemäß geschrieben, dass Ihr die Lücke zwischen ULVERs „Kveldssanger“ Album und WARDRUNA schließt, ohne sie zu kopieren, sondern indem Ihr einen eigenen starken Zugang entwickelt, um die Hörer in Euren Bann zu ziehen. Als ich das schrieb, habe ich mich gefragt, wie selbstbewusst Ihr wohl seid, um so etwas Starkes bereits mit einem Debut-Album zu verwirklichen? Meditiert Ihr auch, um Eure Musik mit einer gewissen Seelenruhe komponieren zu können?

Jørn: Ein Komponist sollte den Anspruch haben, nicht in einen Topf mit anderen Komponisten geworfen zu werden. Es ist eine Tatsache, dass Nash bereits begonnen hatte, das Konzept für BYRDI zu entwickeln, als mit einem Mal diese neue Welle an Folk-Bands auftauchte. Wir sind darum glücklich, dass wir die Inspirationen für dieses Album in uns selbst gefunden haben, und es nicht unter dem direkten Einfluss anderer Musik entstanden ist. Ich danke dir für deine Worte, und ich fühle, dass wir genau das Album verwirklicht haben, das uns vorschwebte. Wenn die Leute meinen, dass es ein starkes Debut ist, dann ist das umso schöner für uns.
Was die Meditation anbelangt, so versetzen wir uns immer in die richtige Stimmung, bevor wir uns ans Werk machen. Der Ort und der Zustand unserer Seelen spielen wichtige Rollen. Wir hätten diese Musik nicht in einem wohltemperierten Studio schreiben können.

Ihr könnt Euch glücklich schätzen, dass David Thiérrée das Artwork für Euer Album angefertigt hat: Das ist abermals ein feuchter Traum für jeden, der mythologische Illustrationen der „alten Schule“ schätzt. Inwiefern hat er die Kunstwerke in Anlehnung an Eure Vorstellungen hergestellt und was bedeutet es Euch, eine LP mit Eurer Musik und seiner Kunst in Händen halten zu können?

Jørn: Wir schätzen uns sehr glücklich, mit David arbeiten zu dürfen. Es ist eine Ehre, seine Kunst im Zusammenspiel mit unserer Musik zu erleben, und wir haben ganz klar das Gefühl, dass das Endprodukt dadurch noch mal aufgewertet wurde. Nash hatte dieses Bild angefragt und gleichzeitig die Idee, daraus einen Rahmen zu machen. Das Photo in dem Rahmen zeigt eine regionale Berglandschaft, in die wir oft gezogen sind, um an dem Album zu arbeiten. Der Symbolismus ist ziemlich direkt: Mythische und phantastische Elemente umrahmen die rauen Elemente, in denen wir leben und atmen. Beide Dimensionen sind für das Album gleich bedeutsam.

Welche traditionellen Quellen inspirieren BYRDI?

Nash: Unsere Hauptquelle sind natürlich die alten Wege und Götter hier im Norden. Als nordischer Heide finde ich viel Inspiration in der Beschäftigung damit. Es ist bedauerlich, dass unsere alten Götter in Hollywood-gemäße, blutdurstige, rachsüchtige und armselige Action-Figuren transformiert wurden. Damit kann ich mich keineswegs anfreunden, denn die Essenz des nordischen Pantheons geht dabei verloren.

Inwiefern seid Ihr denn von Filmen wie „Trollhunter“ oder einem Roman wie „Stallo“ beeinflusst?

Jørn: „Stallo“ kenne ich nicht, aber „Trollhunter“ gefällt uns. Der Film wurde sehr gut in Szene gesetzt und enthält einige unglaubliche Natur-Aufnahmen, die der Realität viel besser gerecht werden als die gängigen Postkarten-Motive. Bei den Arbeiten für BYRDI sind wir viel durch diese Gegenden gereist.

Was steht als Nächstes bei BYRDI an? Ich habe gesehen, dass Ihr BYRDI-Met hergestellt habt, doch ich warte immer noch auf eine Flasche als geschmackvolle Bestechung für die Artikel in einem gewissen Online-Magazin...

Nash: Im Augenblick ist bei BYRDI Pause. Jørn spielt das Schlagzeug für das neue Album von TVANGESTE ein und ist ebenfalls mit der Produktion eines neuen Albums seiner Hauptband FATAL IMPACT beschäftigt – übrigens ein Killer-Album, das im Laufe des Jahres veröffentlicht werden soll. Mit einem Freund hat er zu alledem auch noch ein Death Metal Projekt ins Leben gerufen, bei dem er trommelt. Ich bin derweil mit den Demo-Aufnahmen für ein Black Metal Projekt beschäftigt, dass ich mit einem alten Bekannten betreibe. Es wird etwas anderes sein als der herkömmliche Black Metal: Harsch, hässlich, dunkel und ehrlich gegenüber meinen heidnischen Wurzeln. Der Gesang ist wie ein Film und die Musik wie ein Soundtrack, und es wird SJAA YGGDRASIL heißen.
Doch zurück zu Deiner Frage: wir werden versuchen, BYRDI auf die Bühne zu bringen, und hoffen, dass jemand in Europa bereit ist, uns auftreten zu lassen. Wir wissen noch nicht, wann die Zeit gekommen sein wird, um neue Musik aufzunehmen. Da gilt es einfach, abzuwarten. Wir werden uns nicht dazu zwingen, etwas aus uns heraus zu pressen – dann geht der Zauber verloren. Sicher hingegen ist nur, dass neues Met gerade in der Mache ist. Falls du also etwas davon probieren möchtest, komm einfach vorbei.

Thor Joakimsson (Info)
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