Leicht ist es ja nie, eine Doppel CD im Test zu haben. Wann soll man sich die Zeit nehmen, über zwei Stunden Musik am Stück anzuhören? Kritisch wird es dann, wenn die Stücke so vertrackt und kompliziert sind, daß es erstmal einige Hördurchläufe benötigt, bis man die Songstrukturen durchblickt. Dies ist bei "The Children Of Children" gar nicht der Fall: Die Stücke sind alle gut durchschaubar und auch mal nebenbei zu konsumieren. Das ist natürlich nicht anzuraten, wenn man den Inhalt des Konzeptalbums noch nicht kennt. Es geht um Schwangerschaft und viel zu frühes "Eltern-sein". Das im Mittelpunkt stehende junge Paar befindet sich in einer Lebenskrise; sie wissen nicht mehr, wie sie die nächsten Rechnungen bezahlen sollen, sehen im Leben keinen rechten Sinn mehr und bemerken, daß sie ihr eigenes Leben noch nicht gelebt haben, bevor sie eigene Kinder bekommen haben. Wo ist die Zeit für einen selbst geblieben?
Die Musik auf diesem Album ist weitgehend ruhig gehalten; mit viel Piano und sehr emotionalem Gitarrenspiel, das mir von Anfang an recht gut gefallen hat. Die Stücke werden von einer männlichen und einer weiblichen Stimme vorgetragen. Manchmal wird weniger gesungen, sondern eher erzählt, was mich in diesem Konzept nicht stört. Leider ist die weibliche Stimme nicht sonderlich gut: In meinen Ohren klingt der Gesang zu hoch - wie eine Kreuzung aus Mickey Mouse und Richter Doom in der Endsequenz von Roger Rabbit.
Gehen wir auf ein paar Songs ein. Overture ist eine gelungene, atmosphärische Intro mit diesem typischen, warmen emotionalen Gitarrenspiel. Schon hier fallen einige Parallelen zu Pink Floyd auf, was sich im weiteren Verlauf des Albums wieder und wieder bestätigen wird.
Etwas aus der Reihe tanzt das leicht bluesige The Big Belly Blues. Soll wohl irgendwie lustig klingen. In meinen Ohren klingt es ein wenig nervig. What About Me? ist ein sehr ruhiges Stück mit vielen gesprochenen Teilen. Wie der Songtitel schon vermuten läßt, wird hier den Protagonisten klar, daß sie keine Zeit mehr für sich haben. Ein gelungenes Zwischenstück, um die Handlung wieder voranzutreiben. Love At A Distance beginnt mit sehr ruhigem Piano und wird fast zu einer schönen Ballade, wenn dieser weibliche Gesang ein wenig angenehmer wäre ... aber das kann ja auch Geschmackssache sein. Another Joyful Day soll wohl wieder lustig sein, wird im Verlauf immer schneller und erinnert mich negativ an Kinder-Musical Musik.
Retreat ist der längste Track des Albums und ist in weiten Teilen instrumental. Die Gitarren klingen streckenweise ein wenig härter. Ansonsten dominieren wieder ruhige Klavier Arrangements und das hübsche Spiel auf dem Sechssaiter. Langsam beschleicht einen der Verdacht, daß das ganze Album ziemlich ähnlich klingen könnte. Running Wild beginnt mit einem Kinderlied. Im zweiten Teil soll wohl etwas mehr Drive aufgebaut werde, was in meinen Ohren nicht gelingt und eher langweilt.
Gehen wir mal zur zweiten CD über ... es befinden sich eigentlich keine Überraschungen mehr auf dem Silberling. Alles klingt recht nett, melodisch und warm. Oftmals Pink Floyd inspiriert, mal an Filmmusik erinnernd. Der Gesang ist auch recht nett, aber längst nicht überragend. Wer Piano Arrangements mit warmer Gitarre mag, kann ja mal ein Ohr riskieren. Bei mir kommt erschwerend hinzu, daß mir das Konzept der Scheibe nicht gefällt. Ich habe nichts gegen innere Konflikte und menschliche Probleme in Musiktexten, aber "The Children Of Children" klingt mir eine Ecke zu brav.
Als progressive ist das ganze Album übrigens kaum zu verkaufen. Aber das muß ja auch nicht sein ...
FAZIT: Ein sehr, sehr langes Album voller ruhiger Stücke. Piano und warme Lead Gitarre dominieren das Geschehen. Der Gesang ist passend dazu, wobei die weiblichen Gesangsparts ein wenig zu hoch geraten sind. In den atmosphärischen Stücken läßt Pink Floyd grüßen. Man verliert sich zu keiner Zeit in allzu komplex-progressiven Strukturen, was das Album leicht konsumierbar, aber auch ziemlich vorhersehbar macht. Alles in allem recht nett - mehr aber auch nicht.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.01.2008
Mario Renes
Christine Hull, Erika K. A. Crocco, Dennis Johnson, Ben Rauch
Vince Genella
Mark Durstewitz
Bob Dunleavy
Dave Roman (Saxophone)
Madelf Productions
122:02
2000