Der Hüne steht zu seiner Marillion-Vergangenheit. Opulent verpackt und mit einem traditionellen Wilkinson-Cover versehen, lädt Fish zu einer schillernden Schuppenschau, die auch seine Zeit in Chart-Gewässern berücksichtigt. Obwohl die Trennung in eine Hart- und eine Zart-CD pauschaliert, kann sie nicht über das bunte Schaffen des poetischen Songtexters hinwegtäuschen – Unbedarfte sollten aber mit der zweiten Scheibe einsteigen.
Doch zunächst die „Balladeer“ CD:„Lavender“ und „Kayleigh“ waren unvermeidlich – ich hätte etwa „Warm Wet Circles bevorzugt. Solo-Balladenhighlights sind schon eher die beiden gemischtgeschlechtlichen Gesangsdoppel „Just Good Friends“ und „Incomplete“. „Lady Let it Lie“ und „Cliche“ würden als Mainstream im Radio einer besseren Musikwelt über den Äther laufen. „Solo“ und vor allem das hymnische „Caledonia“ (mit Brian Robertson und der Sensational Alex Harvey Band) verweisen folkloristisch auf die Herkunft des Barden. Er umschifft zwar jedwede Seichtheit bei den sensibleren Stücken durch seine Charakterstimme und engagierte Lyrik (wenn man ihr denn lauscht), doch in mehr als einstündiger Verdichtung könnte bei den von einer Compilation primär angesprochenen Angelanfängern nach der ersten CD der Eindruck entstehen, einen allzu glibberigen Meeresbewohner am Haken zu haben.
Als „Rocketeer“ gefällt Fish im zweiten Teil der Vorstellung facettenreicher, wenngleich mir auch hier statt „Incommunicado“ etwa ein „White Russian“ aus Marillion-Zeiten als klar besserer und weniger berechnender Song lieber gewesen wäre; die Hits findet die Zielgruppe schließlich auf jeder 80s-Best-Of der Ex-Band. Dass diese Stücke populärer sind, täuscht nicht über die hinzugewonnene Reife des neueren Material hinweg – schließlich waren Marillion damals noch sehr jung. Nun, ich idealisiere die alten Tage der Band eben nicht, Hardliner mögen das anders sehen...
Natürlich schwingt trotz Rock-Emphase niemand den Heavy-Holzhammer (obwohl: „Johnny Punter“ doomt schon ganz ordentlich...): der Einstieg mit „Big Wedge vereint Bläser und unterstützenden Gesang einer Gruppe Gospel-Sisters im Hintergrund – das hob sich 1989 bewusst von den soeben verlassenen Kollegen ab, während sich der Kontrast später wieder relativierte, z.B. in „Goldfish and Clowns“, welches 1997 dorthin zurückging, wo Marillion den Platz geräumt hatten, um sich kontinuierlich neu zu erfinden: gediegene Rockgefilde ohne Pomp und Naivität sind seitdem wieder Fishs Ding - mit besseren Sounds, als die Synthies der Achtziger herzugeben vermochten. „Brother 52“ beispielsweise bringt funkige Hammondklänge ins Spiel, und „Clock Moves Sideways“ vom kantigen Album „Fellini Days“ (Favorit der mir bekannten Outputs des Sängers) zeigt bei ungewohnter Düsternis und Arrangement-Experimenten, dass Wurzeltreue und Erkundung akustischen Neulandes sich nicht ausschließen. In diesem Punkt ist Dick seiner (nach wie vor sicherlich ergiebigsten) Tantiemenquelle um Einiges voraus, denn so überzeugend die Steve-Rothery-Ära der Anoraks musikalisch auch ist, wirkt ihre Vergangenheitsleugnung ein wenig kindisch.
Ach ja, König ist natürlich das Epos am Ende: „Plague of Ghosts“ straft Vorwürfe dieser Song-Gattung gegenüber (Selbstgefällig-, Langatmigkeit) Lügen.
FAZIT: Der Schotte geizt nicht mit seinen Reizen; allerdings sind die den langjährigen Anhängern bekannt, so dass diese ansprechende Zusammenstellung eher Neulinge anspricht. Dabei ist sie repräsentativ und hätte nur noch durch mitgelieferte Texte aufgewertet werden können. Umgekehrt zeugt der Verzicht auf Exklusivitäten – das „previously unreleased“-Alibi – von Fairness gegenüber den Getreuen. Wertvoll als Einführung, Respekt einflößend als Erinnerung an die Konstanz des bisherigen Schaffens ... der Sänger ist ja erst knapp über 50, da geht noch was...
Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
diverse
Fish
diverse
diverse
diverse
Chocolate Frog / Snapper
143:42
2005