Meines Wissens nach wurde dieses Konzeptalbum gerade erst mittles Eigeninitiative veröffentlicht. Scheinbar hat sich aber das US-Label der Deutschen angenommen; dies ist ihr zweites Lebenszeichen nach einer Veröffentlichung in den Neunzigern, damals noch bei T&T, bevor diese in den Noise/Sanctuary-Mischmasch aufgingen. "Zarah" ist thematisch heftiger Stoff aus Kindesmissbrauch, gesellschaftlicher Kälte und verzweifeltem Selbstmord. Musikalisch dagegen ist die Gruppe konventioneller gestrickt.
Vergleiche mit Threshold zieht das Info-Schreiben - nachvollziehbar in der Art des Keyboardeinsatzes wie auch der Verwendung von Metal-Elementen, ohne wirklich Metal zu sein. Dies ergibt im Titeltrack nach kurzem Intro eine relative Härte, die ein wenig an Dream Theaters "Awake" gemahnt, nicht zuletzt wegen der Sherinian-mäßigen Keyboard-Sounds. Heise hat eine angenehm sonore Stimme während der beiden Strophen, bevor ein Nachrichtensample die Vergewaltigung thematisiert. Das Stück schwingt sich über fast zehn Minuten dramatisch auf, immer wieder vom emotional-expressiven Gesang und dem eingängigen Chorus durchdrungen.
Ein grooviges Riff beginnt das Instrumental an dritter Stelle des Albums. Ohne die Technik-Rampensau zu mimen variiert die Band ein gitarristisches Hauptthema geschickt rhythmisch wie melodisch, häufig solistisch aufgelockert wie im virtuosen Unisono aus Synthesizer und Saiteninstrumenten am Ende. "Silent Retriever" führt als düstere Ballade zu einer leichten Pain-Of-Salvation-Note auf Grund der tiefen Stimme, bleibt aber handzahmer im Arrangement, um abschließend mehr Zuversicht statt Dunkelheit zu versprühen.
Erst nach etwa vier Minuten wird der folgende Longtrack heavier, bleibt stets leicht goutierbar bei aller vermeintlicher Sperrigkeit, welche solche Längen für gewöhnlich mit sich bringen. In der Hälfte bricht "Cincinatti Road" zusammen, wird balladesk und stellt dem Leadgesang einen weiblichen Gegenpart zur Seite. Gelungen - wie überhaupt auf der gesamten Scheibe - sind die Hammondklänge und die fließend-unverkrampften Songstrukturen: Ideenreich, ohne zu verwirren formt die Gruppe schlüssige Songs - Wie auch den folgenden, einmal mehr vom Gesang getragenen. "Caught..." lebt von der Stimme einer- und den ab und zu tief-drückenden Riffs andererseits. Die Pianoballade "Final Curtain" ist sicher das eingängigste Lied, während "The Red Line" erfolgreich mit der Dynamik spielt. Am Ende der Scheibe vereinen Ricochet alle ihre Vorzüge und begeistern mit Vielschichtigkeit und einer kraftvoll-leidenden Frauenstimme. Der Hidden Track (Flächensounds) wäre wie meistens nicht nötig gewesen.
FAZIT: Immer bedacht, leicht in sich gekehrt, erinnern Ricochet auch an diie Landsmänner Sylvan. Gediegen, aber nicht unterkühlt wirkender moderner Prog: kein Querschläger zwar, doch mit reichlich Potential ausgestattet. Mitreißender müsste man bloß noch werden - gerade angesichts der aufwühlenden angesprochenen Thematik.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.02.2008
Hans Strenge
Christian Heise
Heiko Holler
Björn Tiemann
Jan Keimer
Progrock Records
72:27
2005