Ein jeder, der im Unterricht brav aufgepaßt hat, weiß, daß Doom gemächlich ist, schleppend und finster, mit Takten so langsam gezählt, daß manch Grindcore-Recke zwischen zwei Beckenschlägen drei seiner Songs zu verpflanzen weiß. Und dann gibt´s da noch den Funeral Doom – die noch langsamere Variante dieses Genres, wo reine Verdammnis und niemals endende Düsternis dem schwachen Herzen lächelnd den letzten Lebensfunken entzieht.
Nicht unbedingt naheliegend, aber durchaus passend, ist die Idee, die Geschichte um „Moby Dick“ in ein solches Soundgewand zu kleiden. Herman Melvilles düsterer Klassiker über den wahnsinnigen Kapitän Ahab, der mit seinem Schiff Jagd macht auf den weißen Pottwal, um Rache zu nehmen für sein verlorenes Bein, bietet genug dunkle, dramatische Bilder, um „The Call Of The Wretched Sea“ mit über einer Stunde gutklassigen Funeral Dooms zu füllen.
Die Gitarren schrubben abgrundtiefe Riffs, so gewaltig wie gebirgsartige Wellenkämme auf schwarz-grüner See, das Schlagzeug ist manchmal mit so viel Hall belegt, daß der Sound alles andere als natürlich klingt, was aber ganz egal ist, weil genau dieser Sound nämlich die apokalyptische Atmosphäre fördert. Melodien werden meist durch die bluesigen, perlenden, warmen Gitarrenleads beinahe zaghaft in den in Zeitlupe brodelnden Ozean injiziert. Dunkle Chöre schaffen Erhabenheit („The Hunt“), Meeresrauschen und von Wahnsinn entstellte Sprechpassagen lassen den Hörer teilhaben am zerrütteten Innenleben Kapitän Ahabs („The Sermon“) und die extra tiefen Growls sind so wenig menschlich, daß diese vibrierenden Stimmbänder nur noch als weiteres Instrument angesehen werden können. Besonders gelungen sind die Ambient artigen Passagen, die ein unheimlich plastisches und verstörendes Gefühl von nautischer Kälte und Tiefe vermitteln – viel Fantasie bedarf es gar nicht, beim Hören den kalten Sog des finsteren Ozeans am ganzen Leib zu spüren … zu fühlen, wie die Wasseroberfläche immer weiter zurückfällt, der Druck auf den Ohren steigt und steigt und die sinkende Temperatur den letzten Lebensfunken mit stählernem Griff zum Körper herauspreßt. Ganz schön krank? Ja, schon … aber irgendwie gut!
AHAB verbringen das kleine Kunststück, den Sound dieses Genres mit so etwas wie Songstrukturen zu verbinden (jüngst verzagten erst MY SHAMEFUL daran). Will man den Vergleich mit Genrekollegen bemühen, so drängen sich SHAPE OF DESPAIR auf, wohingegen PANTHEIST mit ihrem sakralen Sound trotz ihrer gewissen Eingängigkeit weniger Pate standen für „The Call Of The Wretched Sea“.
FAZIT: AHAB werden wegen ihrer relativen Eingängigkeit und Melodiösität sicherlich einige Neulinge an dieses Genre heranführen, das selbst innerhalb des Metals noch Underground ist. Fans von eingängigen Weisen und unmittelbar wirksamen Songstrukturen sehen sich besser woanders um …
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Stephan Adolph
Daniel Droste, Stephan Adolph
Chris R. Hector, Daniel Droste, Stephan Adolph
Daniel Droste
Napalm Records
67:38
2006