Die nicht nur kommerziell wohl erfolgreichste Rockband Dänemarks der zurückliegenden Dekaden hat mir so einige unvergessliche Konzerterlebnisse in meiner Musik-hörenden “Karriere” beschert. Nicht nur als eine der besten Clubbands, sondern auch als Stammgast auf dem dänischen Roskilde Festival, wo die Band quasi zum Inventar gehörte (oder immer noch gehört) und jedes Mal als einer der Höhepunkte des Events die Fans der verschiedensten Lager aufs Gelände zog, um gemeinsam abzufeiern.
Der Stern der Dänenrocker um die Gebrüder Binzer begann dann aber irgendwann zu sinken. Man hatte auf der Bühne irgendwie seinen so typischen Charme verloren und auch im Studio fehlten zum Schluss die prickelnden Ideen. So haben die letzten drei Alben, obwohl langjähriger Fan, daher auch bei mir bis auf wenige Ausnahmen keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Jetzt sind sie also vier Jahre nach dem (viel zu ruhigen) “Soft Dogs”-Album zurück. Obwohl, nicht ganz richtig, ist “Scare Yourself” doch in Dänemark schon seit einem Jahr erhältlich. Daher auch eines vorweg: Warum ein Album wie dieses, das trotz der etwas rückläufigen Popularität der ehemaligen Chartband, deren früheren Alben in jede ernst zu nehmende Rocksammlung gehören, erst jetzt hierzulande auf den Markt kommt, wird eines der unergründlichen Geheimnisse der heutigen Musiklandschaft bleiben. Mit dem mittlerweile neunten Album gibt es nämlich endlich wieder genau den Stoff, auf den die ausgezehrten D-A-D-Fans seit Ende der 90er warten - und davon muss es doch auch bei uns noch eine ganze Menge geben.
Das gemächlich heranschleichende “Lawrence Of Suburbia” umgarnt den Hörer zu Beginn erstmal vorsichtig und bereitet ihn auf das vor, was da kommen wird. Mit dem an THIN LIZZY erinnernden “A Good Day (To Give It Up)” folgt dann auch gleich das erste echte Highlight, das sich sofort bei den Bandklassikern einreihen darf. Das Teil rockt, so stark waren D-A-D seit zehn Jahren nicht mehr. “Hey Now” ist ein beschwingter Gute-Laune-Song, der zum Mitschnippen zwingt. Absolut hitverdächtig, hätte ich als Single ausgewählt. Und “Camping In Scandinavia” ist allein schon wegen des Titels cool (zumindest, wenn man bei dem Thema mitreden kann…). Musikalisch gibt es hier beste "No Fuel…"-Tradition.
Bei dem wütenden Titeltrack (erinnert beim Refrain an die Toten Hosen), “No Hero” und bei “Unexplained” kommt am deutlichsten die Punk-Vergangenheit der Wikinger zum Tragen, während die nachdenklichen “Little Addict” und “Allright” die reife Seite der Band zeigen. “Dirty Fairytaile” und “Last Chance To Change” sind dann noch feine Bon Scott-Huldigungen im typischen D-A-D-Stil.
Insgesamt ergeben diese Songs ein ausgewogenes Gesamtbild, der vorhandene Genrespielraum wurde zum Vorteil der Vielfalt gänzlich ausgenutzt und das lässt zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen.
Dafür, dass wir hierzulande unverschämterweise länger als die Nachbarn auf „Scare Yourself” warten mussten, gibt es als Wiedergutmachung nicht nur den brandneuen Bonustrack „You Filled My Head“ (fällt als einzige Ballade aber etwas ab und ist der schwächste Song des Albums), sondern auch den Videoclip zu „Scare Yourself“ noch obendrauf.
Diese Scheibe ist der passende Soundtrack für ´nen hingefläzten Nachmittag auf dem Sofa mit ´ner Kiste Bier im Arm. So was verstehe ich unter Erholung.
Fazit: Die Bandklassiker "No Fuel Left For The Pilgrims" und "Riskin’ It All" bleiben auch diesmal unerreicht, damit war zu rechnen. Aber die Band hat ihren erdig rotzenden Hardrock mit Punk-Schlagseite aus ihren erfolgreichsten Tagen wiedergefunden - wenn auch nicht mehr ganz so deutlich mit einem schelmischen Grinsen vorgetragen wie früher, sondern auch mal mit erwachsener Nachdenklichkeit und einem Hang zur Melancholie. Die ehemaligen "Cowpunker" melden sich hiermit eindrucksvoll aus der dänischen Provinz zurück auf den internationalen Rockbühnen - und da gehören sie hin!
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Stig Petersen
Jesper Binzer
Jacob Binzer
Laust Sonne
Sanctuary Records
41:53
2006