Eine Band aus Boston, die von Anfang an Geheimnisse in sich birgt:
1. Haben die drei Damen und zwei Herren bei der Wahl ihres Namens zwischen dem „t“ und dem „r“ ein „e“ vergessen – oder ist es Absicht, dass sie nicht effektvoll „flattern“ wollen?
2. Kann es sich eine Band, die sich im riesigen Musik-Universum zwischen alternativer und progressiver Rockmusik bewegt, leisten, auf die typischen Instrumente Keyboard und Bass zu verzichten?
3. Sollte es tatsächlich gelingen, diese Instrumente durch Cello und MIDI Marimba (Ähhh, was is´n das?) zu ersetzen?
4. Ist es wirklich verkaufsfördernd, sein Debut-Album mit „Trithemis Festiva“ nach einer Libellen-Art zu benennen oder haben die an der Berklee School Of Music studierten Musikusse einen (piependen) Vogel bzw. (flatternden Libellen-) Stich?
5. Ist der Einsatz eines Hidden-Tracks nicht total arschlos und wertet ein insgesamt tolles Album ab?
Eindeutige Antwort: JA ;-)
Wem die genauso geheimnisvolle, ebenso aus Boston stammende Band DRESDEN DOLLS etwas sagen sollte, der muss einfach in dieses Album hineinhören – denn die Ausstrahlung, der Ideen- & Abwechslungsreichtum, die weibliche Stimme und sogar das fordernd-exzessive Schlagzeugspiel beweisen, dass Boston eine Hochburg experimentell-anspruchsvoller Musik sein muss, egal ob die Bands nun ihren seltsamen Namen nach einer ostdeutschen Stadt oder irgendwelchem Viehzeug benennen.
„Marking Time“ erscheint wie ein musikalischer Brei, den zwar viele Köche zusammenmischen, der aber (im Gegensatz zum wohl bekannten Sprichwort) nicht verdorben wird. Die Grundstimmung ist etwas düster, wobei die Texte mit ihren durchaus sarkastischen Wendungen diesen Eindruck noch verstärken. Die Musik ist genauso „flatterhaft“ und bewegt sich im progressiven Spektrum von KING CRIMSON bis zu alternativ-jazzigen Ausflügen im Stile von APOCALYPTICA, ohne vor Metal-Elementen á la METALLICA Halt zu machen oder manchmal sogar dem Punk zu huldigen. Und diese Sounds graben sich in das Unterbewusstsein des Hörers ein, um dann irgendwann auszubrechen, sich zu entfalten, sich dafür zu rächen, dass der erste Hördurchgang „nur so nebenbei“ (Den Fehler habe übrigens auch ich begangen!) erfolgte. Spätestens wenn das Kleinhirn dem Großhirn gemeldet hat, sich komplett den akustischen Fluttr-Effect(en) zu ergeben, ist man verloren. Und sollte man dann auch noch auf seine, irgendwo im Schrank verstaubten Kopfhörer zurückgreifen, gibt´s keine Hoffnung mehr, diesem wohlschmeckenden Musik-Wackel-Pudding zu entgehen.
Leider flattert der letzte Titel dieses Albums als Hidden-Track (Gääähhhnnnn, sowas sollte doch endgültig auf den Schrottplatz der Musik-Geschichte geworfen werden, um CDs künstlich beim ersten Betrachten im Player in die Länge zu ziehen!) daher, was ihm zwar qualitativ keine Minus-Punkte bringt – den Freiraum zwischen Titel 10 und 11 „bestrafe“ ich aber mit dem Abzug von 2 kompletten Punkten, weil man die 4 Minuten Stille durch einen weiteren interessanten Titel durchaus hätte besser auffüllen können.
FAZIT: „All the hard work seem worth it at the end of the day!” (auch wenn man zwischendurch unbedingt vier Minuten schlafen musste) – kann man auf der letzten Seite des Booklets von FLUTTR EFFECT lesen. Diese harte musikalische Arbeit hat sich tatsächlich gelohnt und sollte Hörern, die progressive, düstere, abwechslungsreiche und stilübergreifende Musik von KING CRIMSON bis APOCALYPTICA mögen, ganz bestimmt gefallen!
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.01.2008
Kara Trott
Troy Kidwell
J. Marchionna
Valerie Thompson (Cello), Vessala Stoyanova (MIDI Marimba), Troy Kidwell, Valerie Thompson (Background Vocals)
10T Records / Just For Kicks
62:57
2006