SUB 001: Die erste Veröffentlichung seines Labels bestreitet Terje Schei mit seiner Hauptband Green Carnation; Earache kümmern sich bekanntlich um Blood Red Throne, die todesmetallische Seite des Norwegers mit der phonetischen Entsprechung eines Erstickungsanfalls als Künstlernamen. Titelgemäß geht die Gruppe hier reduzierter als gewohnt zu Werke, wenngleich angesichts des Instrumentariums nicht puristisch unplugged.
Der erste Song lädt zwar zum Wippen ein, hat aber trotz Titel nichts mit Hasch-Hommagen aus Birmingham zu tun. Vielmehr gibt er die Marschrichtung der Scheibe vor: keine Verzerrung, basische Drums und akustische Gitarrenklänge als Trägermaterial der Lieder. Kjetil Norhus’ Stimme ist nach wie vor unverkennbar, und Bassist Sordal entpuppt sich als ihm überraschend ebenbürtig. Das nächste Stück singt er ganz alleine. „The Burden Is Mine“ macht keinen Hehl aus seinem Titel, der als Chorus und im schwermütigen Arrangement Ausdruck findet – nur eine Gitarre ohne Rhythmusfundament, welcher im Refrain hintergründig eine sporadische Begleitung gestellt wird. Drittens übernimmt wieder Norhus, zunächst im vorherigen minimalistischen Instrumentalumfeld. Dann aber setzt die Rhythmusgruppe ein, inklusive spooky Synthesizerheulen; verwehter Singsang lässt „Maybe?“ ausklingen.
Gaststreicher rücken „Alone“ in eine Folk-Richtung, wobei die Violine das wiederkehrende Thema als Chorus-Ersatz wiederholt. Dementsprechend ist der Song ein lebhafter Kontrast zu seinen behutsamen Vorgängern. Textlich ist Tchorts Kindheitsbewältigung einmal mehr Gegenstand des Stückes. Schön ist dabei der Verweis auf E.A. Poes gleichnamiges Gedicht („the demon in my view“). Der kryptisch betitelte Nachfolger zählt satte 15 Minuten und ist dreigeteilt (My Greater Cause / Homecoming / House of Cards). Zunächst gesellen sich Pianofragmente zur Gitarre, und Norhus erzählt von trügerischem Überlegenheitsgefühl – nichts erscheint im Auge des Elefanten zu groß. Dem Ausbruchswunsch aus dem Gewohnten offenbar nachgekommen, gestaltet sich die Rückkehr im Mittelteil rein instrumental, eingerahmt von kurzen, nachdenklichen Sprachsamples. Rhythmisch verhalten schwungvoll und um ein Glockenspiel angereichert, gewinnt die Passage zunehmend an Dichte, bevor die Stimme wieder einsetzt. Die Drums klingen nach der Ruhe umso massiver, wie auch die Melodien fast hymnisch werden; dementsprechend zuversichtlich klingen auch die Lyrics – scheinbar handeln sie von Sinnfindung.
Der dritte Teil von „Childs Play“ (zu hören auf dem Vorgängeralbum) ist lediglich ein Zwischenspiel mit cleaner E-Gitarre, Piano und Keyboardschichten. Die „Waves“ am Albumende schwappen im Dreivierteltakt. Die Vocals tönen voller Erwartung, doch die kurzen heftigen Drums überraschen ebenso wie Norhus’ harschere Intonation. Energisch, aber nie richtig heftig kündet dieser Abschluss vom trotzigen Kopf-über-Wasser-halten. Ein für sein Konzept kurzweiliges wie abwechslungsreiches Album endet. Das Cover passt zur fragilen wie aufbauenden Musik: braun wie der Herbst oder die unter schmelzendem Schnee hervortretende, sich ereuernde Natur. Einhalt und Neuorientierung.
FAZIT: Alle Green-Carnation-Alben unterscheiden sich bei unverkennbarem Stil. Das Akustik-Motto hat nichts mit Entstöpselt-Klischees oder versonnenem Kitsch zu tun. Angesichts der Tatsache, dass die Band hier einige ihrer besten ruhigen Momente versammelt hat, ist man geneigt, das Konzept der dynamischen Selbstbeschneidung in Frage zu stellen: wie auch bei anderen Bands (Opeth, Die „Migrator“-Alben von Ayreon) wäre die Integration dieses Aspektes in den ohnehin schon variablen Bandsound eine zusätzliche Bereicherung. Ungeachtet dessen – tolle Stimmungsscheibe abseits beliebiger Schrammelei.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.01.2008
Stein Roger Sordal
Kjetil Norhus, Stein Roger Sordal
Tchort, Michael S Krumins, Bjorn Harstad
Kenneth Silden
Tommy Jackson
Sublife Productions
43:34
2006