Die Musikerfotos lassen Schlimmstes erahnen: Herr Ulver im Pimp-Outfit mit Wollmütze und ärmellosem Hemd, die Namen in Ghetto-Frakturschrift. Kopf dieses Projektes ist Daniel Cardoso von den portugiesischen Emperor-Verehrern Sirius und den nicht sehr spannenden Modernmetallern Re:aktor (Album von 2003 auf Nuclear Blast). Garm ist demnach nicht für die Kompositionen verantwortlich, wenngleich sein Einfluss unüberhörbar ist und letztendlich den besonderen Reiz dieses Debüts ausmacht. Die Kaufkraft trendhöriger Neumetallkinder haben Head Control System trotz stilistischer Nachbarschaft sicher nicht im Sinn; das bemühte Outfit des Duos kann man angesichts der musikalischen Ernsthaftigkeit bei weitgehender Vermeidung von Klischees als absichtlich überzeichnet ansehen.
Die Stücke sind alle - nicht zuletzt durch den Gesang - hymnisch, aber nicht platt auf die Refrains hin konstruiert, wobei besonders das Einstiegsdoppel und das regelrechte Stimmorchester in "Masterpiece" hervorstechen. Die Gitarren spielen zwar oft groovige Riffs, recht "Kornig" zum Beispiel zu Beginn des letztgenannten Stückes, werden aber ansonsten vielschichtiger und durchaus klassisch rockend bedient, was man allein schon an Solos und Leads festmachen kann. Hinzu kommen Dissonanzen, für die man Katatonia als
Orientierungspunkt heranziehen mag - auch generell: höre dazu das basslastige und psychedelische "It Hurts" im Fünfvierteltakt sowie "Watergate" mit seinen eigenwillig-abweisenden Gesangslinien. Die Keyboards sind ein sekundärer Bestandteil, erzeugen eher Atmosphärenklänge als eine technoide Aura. Das Fleisch der Songs und die Melodiehoheit bleibt also den Rock-Instrumenten und Garms Organ bewahrt. Manch ein Pianoakkord oder
virtuose Sequenzen könnten auch aus des Sängers Hand geflossen sein, kennt man seine Arbeit bei Arcturus.
"No. Seven" ist eine luftigere Variation des ansonsten sehr dichten Sounds auf "Murder Nature"; etwas so Melodieseliges kann man von Devin Townsend erwarten, oder von Soilwork, wenn diese ihre vorhersehbaren Songstrukturen ablegten. Schön ist auch, dass das Schlagzeug zwar anständigen Wumms hat, jedoch nicht primitives Gehoppel mit Dienst am Song verwechselt. Davon zeugen das Ende des Openers mit Tom-Runs, Stakkati und verschleppte Beats sowie das dynamische Spiel, welches "Wonderworld" vorantreibt.
Es ist seltsam: mit der hässlichen Präsentation des Albums und dem zeitgeistigen Auftreten der Macher stellt man sich bewusst in eine Ecke mit Trendmusik von amerikanischem Habitus. Dabei hat Head Control System bis auf einen staubfreien Sound gar nichts mit diesem Metier zu schaffen. Das Album wäre auch in der Verpackung von - exemplarisch – diversen Peaceville-Releases nicht falsch auf dem Markt platziert; ich denke sogar,
es würde mehre Interessenten locken - auch solche, die vom letzten Output von Herrn Renske und Gefolgschaft nicht gänzlich überzeugt waren. Der Vergleich hinkt in letzter Konsequenz zwar, verhindert aber natürlich nicht das positives Urteil: eigenständig und gekonnt, zugänglich und auch auf Dauer Spannung bewahrend...man möchte bloß wissen, was im Hirn des ewigen Wandlers Garm vor sich geht...unberechenbar bleibt er, und hier einmal ausnahmsweise nicht "artsy".
FAZIT: Gute Ideen in unkommerzielles Hitpotential umgesetzt und facettenreich an den Freund aktueller skandinavischer Grenzgänger gebracht, welche zwischen Metalwurzeln und alternativ-rockigen Tendenzen nie der Beliebigkeit und Abnutzung anheimfallen.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.01.2008
Daniel Cardoso, Kristoffer Garm Rygg
VME/Twilight
45:22
2006