Konzeptalben verkommen immer mehr zur Farce. Entweder versteigen sich Bands in überambitionierten Intellektualismus, der die Musik sauer macht, oder ihre Geschichten sind schrecklich trivial und an den Haaren herbeigezogen. Henning Pauly erzählt nach angeblich wahrer Begebenheit von einem erfolgreich gegen seine Lähmung ankämpfenden Sportler, inklusive gutem und bösem Arzt und dem Schluss von Freundschaften. Nun gut – Arjen Lucassen fährt ähnlichen Pathos auf, und wenn die Musik stimmt, ist die Peripherie zweitrangig.
Auch hier verkörpern verschiedene Sänger die jeweiligen Charaktere – nach Frameshift erneut James LaBrie, dazu Chains Matt Cash sowie einem exildeutschen Bruder Paulys im Geiste in Person von Sagas Michael Sadler. Hauptdarsteller Jody Ashworth schließlich stellt mit seinem Engagement beim kommerziellen Savatage-Ableger Trans Siberian Orchestra einen Vergleichspunkt her. Pauly nutzt nämlich seine umfassenden instrumentalen und produktionstechnischen Kenntnisse in wie gewohnt ausgefeilte Arrangements um - diesmal jedoch zur Erschaffung einer oft vom Klavier getragenen Metal-Variante mit Härte, Bombast und ruhigen Momenten in etwa gleicher Gewichtung.
Fünf „Cafe“-Instrumentalstücke stehen für den zentralen Ort in der Klinik des Plots. Für Themenalben übliche Leitmotive und größere Sinnklammern offenbaren sich dabei nicht; eher setzt der Komponist auf individuell funktionierende Lieder. „I Don´t Believe You“ gefällt als solches mit theatralischem und wortreichem Gesang und einem Hang zu den Musical-orientierten Savatage-Momenten. Einen Drummer erwähnt das Booklet nicht, doch dem Macher des Albums kann man eine Glanzleistung hinsichtlich der Programmierung seines Klopfsklaven bescheinigen. Im melodischen Metal hört man derart intelligent und natürlich wirkende Drumcomputer nicht häufig, das letzte Mal bei Cea Serin. So ist rhythmisch alles im Grünen für das auch Oliva-lastige „No Tree To Sit Under“, was an Matt Cashs gefälliger Stimme liegt, die man sich merken sollte. Dream Theaters viel gescholtener Sänger zeigt dagegen im Anschluss, dass er abseits hörerseitiger Geschmacksfragen unbestreitbar ein Erstklassiger Stimmartist ist. Er kann gerade in kompakter musikalischer Umgebung glänzen und zeigt hier deutlich, dass bei seiner Hauptband mitunter ein Sänger fehl am Platz ist, beziehungsweise keinen Einfluss auf das Songschreiben hat, um sich angemessen präsentieren zu können. Die stillen Momente auf „Babysteps“ ermöglichen den jeweils Vortragenden dagegen beste Möglichkeiten zur Entfaltung, so etwa Cash in „Not Just A Piece of Paper“, dessen anfängliche Melancholie durch dynamische Steigerung und verschiedene Keyboardsounds in lebhaftere Ausdrucksformen überführt wird. Aus der Pianoballade „Whenever You Dream“ wird opulenter Fanfaren-Metal, der auf das zehnminütige „A Place In Time“ vorbereitet. Generell singen nicht mehrere Figuren in einem Track, doch hier bleibt Platz für vielstimmige Passagen im Sinne einer Konversation.
Danach möchte man Pauly aber eine Gehhilfe reichen, denn akustische Orientierung („TheDoor“) oder lässiges Strumming in „I See“ (wieder mit Dialog) deuten nicht auf einen ans Ende der Story gesetzten Höhepunkt hin, zumal auch die bisherige Eingängigkeit der Beliebigkeit den Vortritt lässt. Im Ganzen lebt „Babysteps“ weniger von kompositorischen Geniestreichen oder technischen Kniffen, sondern von den geschickt ausgewählten Sängern, welche die gekonnt kurzweilig strukturierten Songs für Ohren zwischen Prog und Melodic Metal zur Freude machen.
FAZIT: Erstaunlich konventionelles Album des Multitalents Henning Pauly. Zwar kratzt es nicht am zweiten Frameshift-Album, ist aber zumindest bezüglich seiner Präsentation (liebevolles Bookletdesign, Produktion, Performance) solide Leichtmetall-Kost.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.12.2007
Jody Ashworth, James LaBrie, Matt Cash, Michael Sadler
Henning Pauly (instruments)
ProgRock Records
75:38
2006