Guy Mannings Output ist beachtlich, auch angesichts der gebotenen Qualität. Nicht nur die Opulenz, mit der er seine langen Alben inszeniert, sondern auch das erfreuliche Meiden von Standardformaten fordert Respekt. Es gibt nicht den einen MANNING-Song, so wie der Songwriter sich nicht auf einen Stil festlegt. Allerdings gilt für alle Erzeugnisse: keine Aggression, sondern Stimmungsschwankungen zwischen Frohsinn und Melancholie.
Dieses Jahr vertont der Musiker mit seinen Gästen den Stammbaum seiner fiktiven Figur John Anser, wobei jeder Song für einen Vorfahren des schottischen Protagonisten steht. Lyrics und Erläuterungen im liebevoll gestalteten Booklet führen durch eine Historie des Werkens und Leidens einer Familie zwischen Wurzelsuche und Heimatlosigkeit im amerikanischen Exil. Die Musik dazu ist unverbindlich, da kaum epochenabhängig die jeweils charakteristische Musik der Zeit verarbeitet wird. Mit einem Mix aus Folkloristischem, frühem Progressive Rock und etwas Weltmusik sowie Jazz ordnet sich die Scheibe schlüssig in die Diskographie des Barden ein.
Vielleicht empfand man den Sound bereits in der Vergangenheit etwas zu glatt; er kehrt den Detailreichtum der Musik jedoch angemessen hervor. Schließlich handelt es sich nicht um Minimal-Folk – die Lieder werden maßgeblich von mehreren Akustikgitarren, Holzbläsern und Streichern geprägt. Hinzu kommen teils mehrstimmige Vocals und natürlich hauptsächlich Guy Mannings einzigartiges Meckerorgan. Die progressive Komponente äußert sich in den stets lang angelegten Stücken und ihrer wechselhaften Stimmung, denn bei allem Schönklang weiß der Komponist um die Nuancen vertonter Gefühlswelten. Wie im Opener können diese Umschwünge abrupt erfolgen, wozu das instrumentale Arrangement einen großen Beitrag leistet. Die Dynamik, die Mannings Stücke mitunter ohne vordergründige Rhythmusinstrumente erzeugen, ist beeindruckend. „Jack Roberts“ steigert sich bereits ohne Drums mit schlingernden Synthie-Melodien bis zum erwarteten Orgelrock-Ausbruch mit flirrenden Soli. Gleichwohl diese Eruptionen nie den Atem rauben, bieten sie doch feine Unebenheiten im Sinne sanfter Yes oder diverser Sixties-Bands. Im dritten Stück, eine Viertelstunde lang, potenzieren sich diese Wechselspiele in vielen Instrumentalpassagen. Die dominierende pastorale Atmosphäre des Albums bereichert hier zudem etwas Weltraumblubbern, das so gar nicht dem Minenarbeiter und Titelhelden entspricht.
Das leichte Urban-Jazz- und R´n´B-Feeling sowie Country-Gehabe, das der Erzähler den Emigranten in seiner Geschichte in der zweiten Albumhälfte angedeihen lässt, ist marginal. „Joshua Logan“ und seine Nachkommen sind aus heutiger Sicht bereits in der Zukunft zu verorten und könnten futuristische Sounds gut vertragen, doch MANNING verharrt auf seiner Richtung, sogar mit verstärktem Zugzwang. Das Saxophon war schon immer Teil seiner Musik, doch in den letzten Stücken von „Anser´s Tree“ wird es stärker gewichtet und lässt das Album opulent ausklingen.
Gleichwohl einige wiederholte Passagen – konventionelle Refrains kann man sie in den weitschweifigen Stücken nicht nennen – ziemlich catchy sind, glänzt das Album in seiner Gesamtheit stärker als in einzelnen Komponenten.
FAZIT: MANNING ist erneut ein auf durchgehend hohem Niveau angesiedeltes, meist ruhiges Prog-Album gelungen, das ohne Klischees, aber auch mit weniger Rock als „One Small Step“ letztes Jahr auskommt.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.02.2008
Guy Manning
Guy Manning
Guy Manning
Guy Manning
Guy Manning
ProgRock Records
63:33
2006