Zurück

Reviews

Napalm Death: Smear Campaign

Stil: Grindcore

Cover: Napalm Death: Smear Campaign

Keyboards, nur angezerrte Gitarren und Anneke van Käserings Stimme zu lockerem Schlagzeugspiel? – Keine Bange, denn das ist nur der Türöffner zur akustischen Hölle, die daraufhin losbricht. Trotz mittlerweile nur noch halbierter Gitarrenstärke stecken NAPALM DEATH an Intensität nicht zurück. Was die Konkurrenz oftmals so betreibt, als habe sie zur Stilfindung im Buch der Genres geblättert und sei zufällig mit dem Finger auf der Grindcore-Seite gelandet, kommt bei den Briten nach all den Jahren immer noch aus einem inneren Drang heraus. Die hier im Grollen und Keifen durchklingende Wut ist echt, die instrumentale Vehemenz der Anfangstage immer noch präsent, nur mit beträchtlichem Erfahrungschatz umgesetzt. Barneys Stimme klingt tödlicher als vormals, was schade ist, da er und Dave Ingram von Benediction die einzigen mit diesem an für sich nicht sehr kräftigen, aber dafür bestens verständlichen Stil waren – und NAPALM DEATHs Texte waren zudem schon immer lauschenswert.

Somit gilt es, der Musik im Ganzen verstärkte Aufmerksamkeit zu schenken. Nach dem kompromisslosen Einstieg verzeichnet man den ersten Midtempopart im vierten Track. Dadurch kann Harris zeigen, dass er mehr auf der Pfanne hat als reines Waschbrettschrubben. Das muss er zwar nicht mehr, trotzdem erlaubt er sich in „Eyes Right Out“ sogar subtile Harmonien und führt seine Gruppe durch das gesamte Tempospektrum. Den beiden Ballermännern „When All Is Said and Done“ und „Freedom Is the Wage of Sin“ folgt ein unerwartet Break-reiches Stück mit schleppenden Passagen. Psychotisch wird „In Deference“ am Ende, wenn die prominente Frauenstimme zuerst spricht und dann zu hohen Klagetönen ansetzt.

„Identity Crisis“ und das hoppelnde „Shattered Existence“ sind beide punkiger – ersteres eine gebremste Verschnaufpause; „Warped Beyond Logic“ verbreitet Death-Metal-Flair, wenngleich das instinktive Selbstverständnis der Band nicht vergleichbar ist mit der vorbereiteten akustischen Gewalt, mit der sich etwa US-Bands selbst an der Leine halten. Nahtlos hetzen darauf die tollwütigen Wölfe knapp zwei Minuten lang dem Gekreuzigten hinterher, dessen Schergen der Kreationismus-Fraktion an der nächsten Station textlich in die Mangel genommen werden. „Intelligent Design“ ist es im Falle NAPALM DEATHs allerdings, „Deaf and Dumbstruck“ mit einem markanten, chromatisch absteigenden Terzmotiv auszustatten - ähnlich dem zerhämmerten Gesicht der Kannibalenleichen.

Der Titelsong ist zugleich eine Art Outro, fast melodiös und atmosphärisch sogar im Gesangsbereich. Die lärmigen Elemente aus den Stilexpansions-Versuchszeiten von „Diatribes“ werden also immer wieder mal aufgegriffen, doch generell bleibt das Quartett sich so treu wie immer nach Greenways temporärer Abwesenheit. In den gebremsten Momenten hört man regelrecht, wie sich die Mannen vor Energie berstend zurückhalten müssen. Nachteilig ist nur, dass die modifizierte Lage der Stimme und ihre Platzierung im Mix den Songs etwas ihres Eigencharakters beraubt, da so weniger Hooks und Textstellen zur Orientierung bleiben. Unterscheidbare Lieder hatten immer entsprechenden Anteil an der Qualität der Band, die nun etwas beliebiger klingt...aufpassen, dass man nicht nur noch von seinem Innovatorenstatus lebt...

FAZIT: Ein altbewährter Sandsack von einem Album, also eines der in diesem Jahr wirksamsten Medikamente zur Frustbewältigung – Selbstverständlich laut einzunehmen.

Punkte: 10/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.01.2008

Tracklist

  1. Weltschmerz (Intro)
  2. Sink Fast, Let Go
  3. Fatalist
  4. Puritanical Punishment Beating
  5. When All Is Said and Done
  6. Freedom Is the Wage of Sin
  7. In Deference
  8. Short-Lived
  9. Identity Crisis
  10. Shattered Existence
  11. Eyes Right Out
  12. Warped Beyond Logic
  13. Rabid Wolves (For Christ)
  14. Deaf and Dumbstruck (Intelligent Design)
  15. Persona Non Grata
  16. Smear Campaign

Besetzung

  • Bass

    Shane Embury

  • Gesang

    Mark "Barney" Greenway

  • Gitarre

    Mitch Harris

  • Schlagzeug

    Danny Herrera

Sonstiges

  • Label

    Century Media

  • Spieldauer

    45:10

  • Erscheinungsdatum

    2006

© Musikreviews.de