Das Debüt "After the Fire" gehört zum Frischesten, was klassischer Metal heutzutage noch zu bieten hat, und die Wartezeit auf den Nachfolger hat sich ausgezahlt. Die Stücke sind länger geworden, aber sonst ist alles beim Alten geblieben: Tim Aymar ist einer der charismatischsten Metalstimmen überhaupt, und die beiden Schreiberkollegen Black und Johnsen haben unzähligen Bands gut zugehört, mit denen sie beruflich zu tun haben. Dass man dabei nicht zum Plagiat werden muss beweisen diese zehn Lieder: ohne genrefremde Verwässerung stehen Pharaoh für hochprozentigen Metal, der wohlsortierte Einflüsse aus dem Regal zieht, selbst aber keine angestaubte Flasche sein möchte.
Schon das achtminütige "Sunrise" stellt den austarierten Klang des Albums heraus: organischer Instrumentalsound ohne Effekte, und Aymar ist - wie bei all seinen Projekten - stets ins musikalische Bild eingefügt statt in den Vordergrund gemischt wie andere Sänger. Die Stücke sind jedoch auch gar nicht so angelegt, dass plumpe Melodien und leicht mitzuträllernde Gesangslinien die restlichen Komponenten verdecken würden. Neben den ausschweifenden Arrangements, die niemals auf Plattheiten wie verbrauchte Akkord- und Notenfolgen zurückgreifen, ist das geschmackvolle Drumming Blacks ein Hinhörer. Doublebasseinsatz gibt es selten und vornehmlich in der zweiten Albumhälfte, und sein Beckenspiel ist gleichsam nuanciert wie die unstatische Rhythmusarbeit; wann hört man schon Snare-Rimshots auf einem Power-Album wie hier im Opener?
"I Am the Hammer" galoppiert zunächst auf einer Note heran, präsentiert Johnsen als feinen Solisten und ist schon wieder verschwunden, bevor man sich an seinen Geradeaus-Charakter gewöhnt hat. Denn mit dem folgenden Stück wird es rhythmisch wieder lebendiger, und während der stillen Passagen zeigt Aymar ungewohnt klare Facetten seines sonst rauen und oftmals harmonisierten Gesangs. Sein Melodieausdruck ist unverkennbar und verdeutlicht, wie stark er auch Control Denied prägte.
"By the Night Sky" dauert wieder über acht Minuten und ist eines der besten Heavy Metal Stücke der letzten Jahre! Die einführende wie das Lied beendende melancholische Lead-Melodie kommt vertraut vor, ohne dass man sie irgendwo festmachen könnte, und der Refrain erzeugt Gänsehaut. Große Klasse ist auch der dynamische Aufbau: zunächst wird der Gesang nur von klackernden Basstriolen in der Einleitung begleitet, doch man nutzt die üppige Spielzeit zum behutsamen Steigern aller Komponenten - fühlbare Leidenschaft für die Sache, welche der oftmals berechnenden Konkurrenz so abgeht.
Nun scheint es, dass "The Longest Night" nach Vinylprinzip strukturiert ist, denn die hypothetische B-Seite bietet die kompakteren und eher nach vorne stürmenden Stücke. "Endlessly" ist daher keine Memento-Mori-Doom-Huldigung, und auch das Doppel aus Titeltrack und "Fighting" geht flott zu Werke; Gerade letztergenannte Hymne repräsentiert Pharaoh trefflich, denn vermeintlich abgegriffene Kampfesaufforderungen derart unverkrampft und überzeugend zu machen unterscheidet die "Echten" von den Heuchlern. Das Hinterteil des Albums ist auch Matt Johnsens Spielwiese; seine Soli und Leads klingen wie entfesselt, und er hat genug Feuer, einen Gitarrenpartner unnötig erscheinen zu lassen, da er genügend Ausdrucksvermögen in die Overdubs der zweiten Gitarre packt, um sie gleichsam kreativ zu gestalten - was live gleichwohl problematisch sein könnte.
"Up the Gates" lässt wieder rhythmisch die Zügel schließen, und "Never Run" ist mit Basskapriolen ausgestattet ein frühjungfräulicher Instrumental-Energieschub hinaus in den unmetallischen Alltag...
FAZIT: Pharaoh haben bestimmt den Iced Earths, Hammerfalls - und definitiv Rentnern der Marke Priest - längst den Rang abgelaufen. Ausgezahlt hat es sich leider noch nicht. Wer echten Metal unterstützen möchte, muss dies hier tun. Es wird schwer werden, dieses Jahr in diesem darbenden Bereich noch nachzulegen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Chris Kerns
Tim Aymar
Matt Johnsen
Chris Black
Cruz Del Sur/Alive
53:05
2006