Meine erste Begegnung mit den Revolting Cocks. Jourgensens Werk ist mir nur von Ministrys „Psalm 69“, „Filth Pig“ und dem letzten Anti-Bush-Hassbatzen bekannt und in guter Erinnerung als geeigneter Soundtrack für die weniger feinsinnigen Momente im Leben. Das zweite Album dieses Projektes seit Ewigkeiten hat Jourgensen in Sessions mit allerlei unvorhersehbaren Gästen (ZZ TOP! Cheap Trick!) und bekannten Wegbegleitern aufgenommen – etwa dem ewigen Dead Kennedy Jello Biafra.
Drummer standen dabei offenbar nicht zur Debatte; der grauenhafte Papp-Rhythmussound war sicherlich Absicht, denn jedes Heimstudio hält heute hochwertigere Presets parat. Stumpfheit ist also Stilmittel – auch im Gitarrenbereich und den Songstrukturen. Rohe Riffs wie aus dem Transistorradio und Störgeräusche, als würde ein solches gerade den Geist aufgeben, stehen auf dem Programm...“Ugly, so ugly“ tönt es folgerichtig in der Schreiorgie „Jack in the Crack“. Von bösen Drogen ist die Industrial-Ikone bekanntlich losgekommen und neuerlich kreativ beflügelt; diese begrüßenswerte Freiheit und jene fragwürdige, welche sich die US-Regierung auf der Welt und Zuhause nimmt, ist Jourgensen zur Inspiration für den zweiten Frühling geworden. Da passt Punk-Agitator Biafra mit seinen wortreichen Texten gut dazu, ebenso wie die Veröffentlichung auf dem eigenen Label.
Flott und dreckig steigen die Schwänze mit der Iggy-Pop-Co-Komposition „Fire Engine“ ein. Ähnlich schnell dürfte das repetitive Geschoss auch entstanden sein, und so setzt es sich im Kurzzeitgedächtnis fest. An zweiter Stelle kommt der Collagen-Charakter des Albums zum tragen: Disco-Funk, Bläser und zischende Beckensounds konterkarieren Stimmsamples und effektverfremdeten Sprechgesang. „Caliente“ ist die Zertrümmerung der ungleich subtileren Wave-Vorreiter Bauhaus, inklusive unechter Handclaps und gewohnt eloquentem Biafra.
Der folgende Doppelpack krankt an Riff-Belanglosigkeiten und dem ätzenden Schlagzeugklang. „Pole Grinder“ basiert zur Abwechslung auf einem Bassmotiv und hat durch den zurückgefahrenen Krach-Faktor etwas mehr Song-Charakter, welcher der noisigen Predigt „Devil Cock“ wiederum abgeht. „Viagra Culture“ ist allenfalls textlich interessant, da es die Illusion der erfolgsorientierten Gesellschaft karikiert; das Fiepen ist aber enervierend. Zum Abschluss integriert man das „Bumm-Bumm-Tschack“ aus Queenschem Hitfundus, welches eine redselige Dame, kitschige Synthies und Glockengebimmel unterfüttert. Außer Textfetzen ist nicht hängen geblieben, was bei Musik immer schlecht ist...
FAZIT: Lard in ähnlicher Personenkonstellation sind besser, wahrscheinlich auch die Livedarbietung dieser Stücke: Laut, ungestüm, mit ordentlich Mayhem auf der Bühne und im Publikum ist Katharsis angesagt. Auf Konserve klingt es allerdings eher nach Katarr. Nur für Alles-von-Al-Gutfinder...1000 Homo DJs war auch nicht der Bringer...neue Ministry bitte!
Punkte: 4/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.01.2008
Al Jourgensen, Jello Biafra, Gibby Haynes, Robin Zander, Rick Nielsen, Billy Gibbons Steve Banch, Phildo Owen
13th Planet/Soulfood/AFM
43:47
2006