Haben die sechs wackren Recken aus Hannover zu viel „Drei ???“ gehört? Hörspieleinlagen sind schon lange aus dem Bereich des „Fantasy Metal“ nicht mehr wegzudenken – BLIND GUARDIAN bedienten sich auf „Nightfall in Middle-Earth“ des gesprochenen Wortes und RHAPSODY sorgen heute noch für herzliche Lachsalven mit ihren debilen, akzentgeschwängerten englischen Texten.
Mit Bernd Seestaedt haben WINTERDOME jedenfalls einen guten Sprecher ins Boot geholt, der mit angemessenem Tonfall die gesprochenen Passagen rüberbringt. Das ist auch bitter nötig, denn die hörspielartigen Sequenzen nehmen auf „Weltendämmerung“ beinahe eine viertel Stunde der Gesamtspielzeit ein.
Erzählt wird die Geschichte des Volkes der Elasaj, die aus ihrem Land des Zwielichts von den Göttern vertrieben wurden und durch allerlei Blutvergießen versuchen, die Gunst ihrer Götter zurückzuerlangen, um in ihr geliebtes Heimatland zurückkehren zu können. Da WINTERDOME die erzählte Geschichte praktisch mit ihrer Musik gleichstellen, müssen die Texte auch einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Die Fantasygeschichte fängt zwar recht atmosphärisch an, aber nach und nach verliert die Story ihren Fokus, erst geht es um die Rückkehr in das Heimatland der Elasaj, dann steht plötzlich das persönliche Schicksal des Helden und seiner Ehefrau im Zentrum – und am Ende verläuft die Handlung sang- und klanglos im Sande. Dazu gesellen sich reichlich Klischees und Stilblüten wie z.B „Die melancholische Traurigkeit in den Augen der Elasaj hätte Mitleid sein können, wäre da nicht dieser Schatten von Grausamkeit gewesen, der sich mit beinahe zynischer Leichtigkeit in der Schönheit ihrer Gesichter versteckte“ oder „Beim Töten zeigten Ashaj und seine Mitstreiter keine Moral, denn ihre Moral war nur der Sieg“. Autsch. Begeisterte Rollenspieler, die auch vor dem stilistischen Desaster der Drachenlanzen-Romane nicht zurückschrecken, können vielleicht über dieses Manko hinwegsehen und sich besser auf die Atmosphäre von „Weltendämmerung“ einlassen.
Musikalisch bewegen sich WINTERDOME auf den Spuren von HAGGARD. Neben diversen Folk Einflüssen und gothictypischem, klarem Dunkelgesang wird auch aus Leibeskräften (aber stets verständlich) gegrunzt, dazu sorgen doomige Rhythmen für majestätisches Marschfeeling und sparsam eingesetzte weibliche Gesänge stellen auch verkappte Romantiker zufrieden. Wehmütige Geigen und Schunkelgesänge untermalen die Geschichte passend, aber unspektakulär.
FAZIT: Problematisch ist, daß Inhalt und Musik auf diesem Album eine untrennbare Einheit bilden, so daß man sich „Weltendämmerung“ nicht lösgelöst von der erzählten Geschichte anhören kann – die Geschichte bewegt sich aber auf dem unteren Niveau einschlägiger, massenproduzierender Fantasyautoren, so daß ein Eintauchen in diese Welt verdammt schwer fällt. Als Berieselung während eines gemütlichen Rollenspieleabends ist „Weltendämmerung“ aber dennoch empfehlenswert. Da dieses Werk mit seinem großen Hörspielanteil nicht in das Bewertungsschema dieser Seite paßt, wird auf eine Punktewertung verzichtet.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Martin Mußmann
Henrik Warschau, Lisa Hinnersmann
Sebastian Schmidt, Magnus Will
Philipp Wende
Lisa Hinnersmann (Geige), Bernd Seestaedt (Sprecher)
Massacre Records
65:21
2006