Die sieben Jahre Entstehungszeit des zweiten Albums von ZENOBIA hört man. Kompakt und leicht durchschaubar sind ihre Stücke nicht, jedoch auch nicht unbedingt überfrachtet. Vielmehr verstehen die Berliner sich darauf, wandelbare und fließende Stücke zu schreiben, die nicht dem gängigen Liedschema unterliegen, sondern stark erzählerisch geprägt sind – trotz der gewitzten Instrumentierung steht der Textvortrag im Vordergrund, ähnlich wie bei den frühen Genesis.
So .beschreibt der viertelstündige erste Song nichts weniger als die Lebensgeschichte des titelgebenden Protagonisten und dessen Beziehung zur personifizierten Natur, welche ihm eine Mission auferlegt. Die Musik ist der wechselhaften Stimmung stets angeglichen und beschreitet ein Spektrum zwischen geschmackvollem Keyboard-Bombast zu Beginn und dominanten Gitarrenleads. Bei Gesangseinsatz lichtet sich die Bass-dominierte Tiefe des Sounds, und der Rhythmus wechselt ins Swingende. Obligatorische Instrumentalpassagen sind nicht zu lang, weil Frank Hoyer viel zu berichten hat; Gitarre und Tasten dürfen solistisch ran, wobei erstere vor statischen Akkordwechseln etwas beliebig gniedelt. Zweifellos fesseln ZENOBIA aber durch ihr Storytelling und die dem gerechtwerdende Umsetzung in der Musik – diese Kombination ist selten geworden, und die vielen subtilen Arrangement-Nuancen laden zum aufmerksamen Zuhören ein.
Es ist nicht so wie bei vielen vermeintlichen Progbands, dass das Quintett den üblichen Longtrack heraushaut und sich dann in biederer Formatware ergeht. Selbst die kurzen Tracks sind ausgefeilte Reisen durch die Textwelten des Sängers und kommen demnach bei gleichzeitigem Booklet-Studium noch besser zur Geltung. „Moonstone Sky“ – am Albumende auch als gelungene Modernisierung mit kraftvollen Vocals und Drumloops vertreten – ist gedämpfter und gespickt mit Chören; einen erinnerbaren Refrain gibt es ebenfalls zu verzeichnen Die weitgehende Verweigerung einfacher Strukturen führt zu einer klaren Auflösung der vorgegebenen Motive am Ende hin. „The Living Element“ glänzt vornehmlich durch originellen Keyboardeinsatz und die lebhaftere Tempo-Ausrichtung mit treibendem Schlusspart. Bisweilen erinnert die Gruppe an eine weniger krude und sanftere Version von Lanfear zu Zeiten ihres Albums „Zero Poems“. Sie geh auch im erneut längeren „Try To Wake Up“ vergleichbar unverkrampft vor, meidet bekannte Muster und platte Bezüge zu etwaigen anderen Bands und den eigenen Einflüssen, die folglich nur grob im sauberen Prog der 80er verortet werden können – .Bizarre Psychedelia erwartet man vergebens. Der Transfer in die Jetztzeit gelingt dabei frisch und ohne Manierismen, und nicht einmal das typisch Deutsche hört man.
„Meet Your Maker“ ist in sieben einzeln anwählbare Teile untergliedert und rekapituliert vom akustischen Intro, kurzen Singer-/Songwriter-Anklängen und ausgedehnten Instrumentalpassagen (wiederum am wenigsten ansprechend) bis hin zum ruhigen, Kommendes abwartenden Mittelteil das Gesamtprogramm von „Delayed“. Gen Ende legt man an Härte zu und lässt das Stück still ausklingen.
ZENOBIA sind eine der ansprechendesten Gruppen im vagen Progrock-Nebel der letzten Monate, weil sie weder krampfhaft zeitgemäß noch retro aufspielen, sondern Geschichten mittels Musik erzählen. Das ist in diesem Falle wirklich keine Phrase, und wenn das Ganze musikalisch so farbenreich untermalt wird, lässt man gerne die Bücher im Regal und hört zu.
FAZIT: Nicht progressiv die Grenzen der Musik auslotend, sondern kunstvoll umschreiben ZENOBIA lesenswerte Texte mit fein ausgearbeiteten Rock-Arrangements. Sie sind narrativ wie ein Roman, aber auf eine Musical-artige Weise, so dass Einnicken mit dem Einband auf dem Gesicht ausgeschlossen bleibt - Empfehlenswert!
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Uwe Haaß
Frank Hoyer
Alexander Fischer
Steffen Rohr
Lars Girke
Uwe Haaß (stick), Lars Girke (perc)
Quixote Music/Pängg
73:48
2006