Post vom kleinen, feinen deutschen Label Prophecy ist immer eine schöne Sache, weil dieses Label als eines der Wenigen die Flagge der scheuklappenfreien und stilübergreifenden Musikliebhaberei noch glaubhaft in die Höhe hält. Entsprechend ist die Vorfreude beim Aufreißen des braunen DIN A5 Umschlages, der das Debüt Album der französischen ALCEST zum Vorschein bringt.
ALCEST sind ein relativ unbeschriebenes Blatt und dürften bloß einigen wenigen noch von ihrer Mini CD „Le Secret“ bekannt sein, die im Jahre 2005 noch klar im Black Metal verhaftet war. „Souvenirs d´un Autre Monde“ beschreitet Wege fernab des Schwarzmetalls. Das Label selbst spricht von YANN TIERSEN auf BURZUM, was ohne Frage ein gewagter Vergleich ist, der aber nach einigen Hördurchläufen gar nicht mehr so grotesk anmutet. Auch Tiersen versteht es, in wehmütiger Ungetrostheit das Unbeschwerte zu transportieren und mit gedämpften Klangfarben Bilder von Stille zu malen. Der Vergleich mit den norwegischen BURZUM-Tölpeln ist dann eher auf die dezent mitschwingende Dunkelheit und die wenigen, fugenlos integrierten Double Bass Passagen, die in den sphärischen, irgendwie zurückhaltenden und „Shoegazer“-artigen Gitarrenwänden mitschwingen, zu beziehen.
Der Gitarrensound ist bei ALCEST nicht alltäglich, wenn auch nicht komplett innovativ. Während die häufig akustisch gezupften Sechssaiter kitschfreie Folklore verheißen, wirken die Verzerrten höhenlastig, seltsam verklärt und Collagen bildend, was grob vergleichbar ist mit dem, was OPETH mit dem ersten Teil von „The Drapery Falls“ vom „Black Water Park“-Album abgeliefert haben. „Souvenirs d´un Autre Monde“ hinterlässt den Hörer mit einem Gefühl des Schwebens, des Unwirklichen. Der verträumt entrückte Gesang fließt wie nebenbei aus den Lautsprechern und zeigt sich im Dynamikumfang gewollt beschränkt und in der Vermittlung von Emotion dennoch angenehm tief.
FAZIT: Einen Haufen neuer Fans werden sich ALCEST mit ihrem ersten kompletten Album nicht erspielen, auch wenn diese Musik Hörer unterschiedlichster Stile für sich zu vereinnahmen versteht. Um großflächig begeistern zu können, fehlt den sechs Songs ein Schuss Dynamik und ein konsequenter Aufbau von Spannung, die in wohldosierten Höhepunkten ihre Auflösung findet. Diese Art des reduzierten Musizierens ist durchaus gewollt und übt einen Reiz aus, doch empfiehlt man sich auf diese Art nicht dem Großteil der Hörer dort draußen – ein Ziel, das es für den Kunstschaffenden sowieso nicht an erster Stelle zu erreichen gilt.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Neige (all instruments and vocals)
Prophecy
41:20
2007