ALEX CARPANI ist nicht nur ein Musiker, der weltübergreifende progressive Rockmusik spielt und lebt, sondern er ist auch ein Mensch, der schon seit seiner Geburt ein Weltbürger schlechthin ist. 1970 in der Schweiz geboren - als Sohn eines Italieners und einer Französin - lebt er jetzt in Italien. Dem Mann muss doch das südländische Temperament im Blut liegen, das vielleicht die eine oder andere Abkühlung durch die „temperamentvolle/arme“ Zurückhaltung der Schweizer erhielt.
Ganz Ähnliches gibt es auch von der Musik des studierten Pianisten zu berichten, dessen Begegnung mit KEITH EMERSON, mit dessen Sohn er als Siebenjähriger (!!!) in eine Klasse an einer Schweizer Schule ging, zu einem seine weitere musikalische Zukunft bestimmenden
Schlüsselerlebnis wurde. Diese von CARPANI selbst als „magisch“ bezeichnete Begegnung war der Ausschlag dafür, dass er sich dem Prog-Rock zuwandte und seine Leidenschaft für das Keyboardspiel geweckte wurde. Doch wer jetzt denkt, dass CARPANIs Musik nach EMERSON, LAKE & PALMER klingt, der irrt!
CARPANI ist mit (musikalischem) Leib und Seele ein Italiener, der auch diese dort typische, symphonische Kunstrock-Musik der 70er Jahre spielt, wie sie von LE ORME, PFM oder BANCO DEL MUTUO SOCCORSO bekannt ist. Überhaupt scheint die italienische Art-Rock-Band LE ORME eine wichtige Rolle für die Entstehung des Albums „Waterline“ zu spielen, da einerseits ihr Sänger ALDO TAGLIAPIETRA auf Carpanis Album mitwirkt und andererseits mit PAUL WHITHEAD ein sehr bekannter Künstler für die Covergestaltung gefunden wurde, der nicht nur das letzte LE ORME-Album „Elementi“, sondern auch einige Frühwerke von GENESIS oder SHAUN GUERIN oder YES illustrierte. Außerdem steuerte er die gesamten Texte bei.
Mit solchen künstlerischen Größen an seiner Seite kann eigentlich nichts schief gehen – und es geht auch nichts schief! Bereits der erste Titel beginnt mit allen typischen Zutaten des klassischen, symphonischen Italo-Progs, inklusive klassisches Piano, voluminöses Keyboardspiel und dem Gesang von BEATRICE CASAGRANDE. Im folgenden Titel erhalten dann auch die bei den Italienern so sehr beliebten Flöten einen umfangreichen Spielraum in dem zugleich symphonisch getragenen, aber auch akustischen und dynamischen Stück.
Mit dem dritten Titel erreicht das Album seinen ersten wirklichen Höhepunkt. Neben der kunstvollen Musik, die am Ende sogar ein wenig an frühe GENESIS erinnert und außerdem sehr viel klassisches Pianospiel enthält, verblüfft besonders der faszinierende Gesang, der nach dem leider viel zu früh verstorbenen, wundervollen Sangesbarden FABRIZIO DE ANDRÈ aus Sardinien klingt.
So könnte man jetzt jeden einzelnen der 11 Titel betrachten und würde nicht einen Ausfall entdecken, dafür aber noch vier Besonderheiten. „Song Of The Pond“ weckt besonders durch sein außergewöhnlich schönes, zartes, aber zugleich abwechslungsreiches Flötenspiel Erinnerungen an THIJS VAN LEER von FOCUS. Mit „A Gathering Storm“ vollzieht sich ein vorletzter musikalischer Wandel, diesmal in Richtung Fusion aus Prog-Rock und Jazz. Und mit „Prelude In C Min.“ endet die „Wasserlinie“ mit einer klassischen Adaption von JOHANN SEBASTIAN BACH. Und als Letztes sollte man wohl nicht verheimlichen, dass man sich bei „The Waterfall“ in die guten alten Zeiten von „Tubular Bells“ eines ehemals großen, aber heutzutage seine Fangemeinde nur noch langweilenden Ausnahmegitarristen und Multiinstrumentalisten, dessen Namen ich wohl an dieser Stelle nicht mehr zu nennen brauche, zurückversetzt fühlt.
FAZIT: Mit „Waterline“ gelingt ALEX CARPANI ein beeindruckendes Album, das eigentlich jeden Fan der guten alten Schule des symphonischen Italo-Progs begeistern müsste, auch wenn der Musiker hinter diesem Namen von seinem Alter her nicht zu den Lehrmeistern dieser Musik, sondern zu den ausgezeichnet gelehrigen Schülern gehört.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.01.2008
Shapiro, Ken Jaquess
Aldo Tagliapietra
Robert Wolfe, John Thomas, Shelley Doty, Marc Pattison, Tony Spada, Lindsey Boullt, David Scott & Michel Sajrawy
Alex Carpani
Neil Bettencourt
Cory Wright (Saxophones & Flutes), Neil Bettencourt (Percussion), Beatrice Casagrande (Vocals on “The Siren´s Call”)
Cypher Arts
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2007