Ein Bekannter bezeichnete ELEND einmal als „musical non-event with screaming on top of it“. Nun, das Geschrei ist verschwunden…
Nach der Trilogie der ersten Alben gab es eine leichte Schwerpunktverschiebung bei dem Komponistentrio um Renaud Tschirner; Klangexperimente stehen seither noch höher im Kurs. Die Musik ELENDs ist immer noch unheimlich dunkel und stützt sich nicht auf die konventionellen Mittel, ihre Hörer für sich zu begeistern – falls angesichts der Atmosphäre überhaupt solch positives Vokabular angebracht ist. Wiederkehrende Motive, Melodie und Rhythmus sind so gut wie ausgeschlossen; es geht um Klangfarben, welche die Orchestrierung bereitstellen. Die unterschiedlichen Ensembles orchestraler Instrumente vollziehen extreme Dynamiksprünge und stellen ungewöhnliche Sounds heraus, die man in klassischer Musik, wie der Laie sie versteht, nicht vernimmt. ELEND sind der modernen Avantgarde der Orchestermusik zuzuordnen und haben mit Rock nichts zu schaffen, außer dass sie die Dunkelheit mögen und Metal-kompatible Themen verarbeiten. Der Gesangsteil beschränkt sich auf französisches Textrezitativ und gelegentlichen Sopraneinsatz
Hinsichtlich ihrer Wirkung – dem einzig übrigen Stichpunkt zur Bewertung, da keine echten Stücke oder traditionelle Formen wie Fuge oder Tanz vorliegen – kann diese Scheibe im Stillen einlullen und dann unangenehm aufschrecken, wenn es laut wird. Ansonsten lässt sie völlig kalt, ist abweisend und allenfalls dem am Textkonzept Interessierten eine intensive Beschäftigung Wert – Es ist schade um die beträchtliche vorhandene Substanz: „A World In Their Screams“ ist einmal mehr zu viel Anspruch und zu wenig Musik, um über (Pseudo-?)Intellektuellenkreise hinaus rezipiert zu werden.
FAZIT: ELEND werden, bedingt durch ihr Label, immer noch dem falschen Publikum feilgeboten. Weder Melancholiker noch nach Neuem in extremer Musik suchende werden angesichts dieser selbstzweckhaften Kompositionskunst befriedigt – Sie eignet sich für bereits vom unverkrampften Zugang zur Musik Bekehrte, die Klänge nur noch akademisch betrachten.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Esterie Remond, Iskandar Hasnawi, Sebastien Roland, Renaud Tschirner
David Kempf (violin/viola), Iskandar Hasnawi, Sebastien Roland, Renaud Tschirner (sonstiges)
Prophecy/Soulfood
57:43
2007