Ein Neustart beginnt mit einem Livealbum. Bei den von Century Media gegangenen FLOWING TEARS fand der aufgenommene Gig in der Berliner Passionskirche statt. Statt Hall ist aber eine eher intime Atmosphäre hörbar, die gut zur nur noch wenig den Metal streifenden Musik der Saarländer passt.
Das Flagschiff des deutschen Gothic sind die Musiker sicher nicht, auch wenn das Label es so hören möchte, doch gehen sie unbefangen und klischeearm an das vorurteilsgebeutelte und oft falsch assoziierte Genre heran. Heuer Haben FLOWING TEARS eher viel mit Gruppen wie Portishead gemein als mit alten The Gathering oder – wie ganz zu Anfang ihrer Karriere – den Doomern My Dying Bride. Ihre Stücke werden auch im Livekontext sporadisch arrangiert dargeboten, wobei die junge Helen Vogt ihre Vorgängerin Stefanie längst vergessen gemacht hat. Gleich mit ihrem Hit „Swallow“ startet die Band, und es fällt bei der folgenden Werkschau zweierlei auf: Zunächst der Reichtum an hittigem Material im Repertoire, dann aber auch die Gleichförmigkeit, welche den simplen Strukturen und der basischen Instrumentierung geschuldet ist. Diese Aufnahme mit den verhaltenen und sich stets gleich anhörenden Publikumsreaktionen verstärkt den Eindruck zusätzlich. Andererseits sorgt genau dies wohl auch für die warme, vertraute Atmosphäre des Gigs, wenn Helen auch etwas unbeholfene Ansagen abgibt, gleichwohl das für Natürlichkeit sorgt.
Es spricht Bände, dass eine Coverversion – hier Slayers toll umgemodeltes „Dead Skin Mask“ – der größte Hinhörer auf einem Album ist – und es spricht nicht unbedingt für die Band, aber sie sind nicht die ersten. Das gilt auch für die Bereitstellung eines neuen Studiotracks, des schönen Covers „The Weeping Song“ von Nick Cave mit dessen Wiedergänger Johan Edlund als Gastsänger.
FAZIT: Solides Livealbum – gerade lange genug, um nicht zu langweilen. FLOWING TEARS werden ihren Weg allerdings immer weiter vom harten Gitarrengenre gehen müssen, um weiterhin Erfolg zu haben, denn für Headbanger bieten die emotionalen und leisen Tracks nur noch wenig. Alle anderen Hörer: Antesten, denn kaum jemand macht das in Dunkeldeutschland so unaffektiert.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Frederic Lesny
Helen Vogt, Benjamin Buss
Benjamin Buss
Stefan Gemballa
Ascendance/Soulfood
40:03
2007