Die Franzosen sind eine typische Listenable-Band und unterstreichen die Qualitäten der extremen Metalszene im Nachbarland. Ist spielerisch nichts zu beanstanden – die Band zockt in der obersten Technikliga – so besteht kompositorisch wie bei vielen Kollegen noch Nachholbedarf.
Die Entwicklung im extremen Metal mit Bezügen zu architektonischen Songkonstrukten und Genres zwischen Hardcore und epischer Rockmusik ist prinzipiell spannend. Verdeutlicht man sich jedoch, dass die Bewegung alles Andere als neu ist, kommt man nicht umhin, ihr seit den Frühneunzigern eine gewisse Trägheit anzukreiden, denn bei aller Experimentierfreude vergessen zahlreiche Vertreter den Kern der Sache: vielschichtiges, aber eben auch auf den Punkt kommendes Songwriting – man nenne einmal zehn unsterbliche Klassikersongs aus dem Math-/Post-/Noise-Kader...Schwierig, oder?
Nun könnte man auch bei HACRIDE argumentieren, es ginge nicht um derlei Allgemeingültigkeiten, doch ein guter Song hat nichts mit Anbiederung an den Massengeschmack zu tun, sondern mit Einfühlbarkeit seitens des Hörers. Demnach mangelt es auch dieser Band an Stücken, die mehr verrichten als Kinnladen nach unten klappen zu lassen oder sie gleich zu zertrümmern. HACRIDE sind aggressiv und größtenteils unberechenbar. Sie stehen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten über dem Gros der Mitbewerber, weil immer wieder ein wenig Muckertum durchscheint – will heißen: man frickelt gerne und zeigt das individuellen Können der Mitglieder. „Liquid“ etwa ist ein polyphones Basssolo, und die beiden Gitarristen exerzieren die Geschichte ihres Instrumentes von jazzigen Clean-Pickings bis zum musikalischen Feedback-Einsatz und Harmonics im Dimebag-Stil.
Der Melodieanteil ist unter Ausnahme des Gesangsbereichs hoch, doch hängen bleiben die gekonnten Rhythmus- und Riffschiebereien nicht – der vertraute Sound eben, und weniger Lieder an sich. Deshalb begeistern vor allem die letzten Minuten der Scheibe, da Soundtrack-artige Ausschweifungen, wie sie dort gebündelt auftauchen, dem Anspruch der Kompaktheit nicht nachkommen müssen. Dass wahrhaft Originelles doch möglich ist, zeigt die Kollaboration mit den Latino-Avantgardisten Ojos De Brujo bei deren Covertrack „Zambra“ – genial, wie hier der Stil der Europäer mit Flamenco-Parts und aggressiven bis beschwörenden Vocals zwischen Raga und Shouting verschmilzt. Mehr davon – und aus eigener Feder – würde HACRIDE zu Innovatoren machen, doch so sind sie nur eine weitere gute und vor allem hochvirtuose Neo-Extrem-Gruppe.
Fazit: Meshuggah-, SYL- oder Textures-Fans müssen hier reinhören, Nichtverächter des klassischen Könnensbeweises können es, und Suchende nach Neuem dürfen – zumindest bei einem Stück.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Benoist Danneville
Samuel Bourreau
Adrien Grousset
Olivier Laffond
Listenable/Soulfood
54:26
2007