Die Überraschung über das Erscheinen einer Halford-Compilation ist bei mir ebenso groß wie die Verwunderung über das Label, bei dem diese erscheint. Nicht nur, weil sich die italienischen Melodic-Experten von Frontiers Records nach den ersten Anzeichen durch die kürzliche MELDRUM-Veröffentlichung also auch auf dem Metal-Sektor weiter auszubreiten gedenken, sondern vor allem, da sich Rob Halford doch erst im letzten Jahr die Rechte an seinem Backprogramm für sein eigenes Label Metal God Entertainment gesichert hat, um dieses neu auf den Markt zu bringen. Egal, den Großteil der Fans interessieren die geschäftlichen Umstände meist herzlich wenig, also schnell zur Musik.
Die berechtigten Zweifel an der Dringlichkeit einer Zusammenfassung des musikalischen Halford-Lebens abseits von JUDAS PRIEST wird schnell in den Hintergrund gedrängt, wenn man gerade das Album, auf dem der Sänger zu Milleniumsbeginn seine alten Tugenden wiederentdeckt hat, länger nicht gehört hat und dann schnell wieder feststellt, was dort mit "Resurrection", "Made In Hell" und vor allem "Locked And Loaded" doch für vorzügliche Metal-Hymnen zu finden sind. Auch das emotionale "Silent Screams", das hier in der ursprünglichen Demoversion zu hören ist, gehört in diese Kategorie. Obwohl bei Erscheinen diesbezüglich nicht zu bemängeln, wurden diese Songs ebenso wie der restliche ältere Stoff soundtechnisch überarbeitet, alles tönt hier hochprozentig aus den Boxen. Aus der FIGHT-Ära (die wesentlich besser war, als die meisten wahrhaben wollten) wurden mit "Into The Pit", "Nailed To The Gun" und "War Of Words" drei Songs berücksichtigt, denen die Auffrischung besonders gut getan hat, wurden sie doch kurzerhand neu eingespielt und dabei noch etwas auf den heutigen Halford-Kurs gebracht.
Während die TWO-Phase gänzlich unerwähnt bleibt, werden die düsteren, experimentellen Songs des "Crucible"-Albums weiterhin nicht jedermanns Sache sein, sorgen hier aber für stilistische Abwechslung. Dies gilt natürlich noch mehr für die beiden neuen Nummern, die im hinteren Teil zu finden sind und auf denen logischerweise das Hauptaugenmerk liegt. Gefallen können sie beide: das schnellere "Forgotten Generation" mit seinem Ohrwurm-Refrain und der zügellosen Leadgitarre hätte sich auch bestens auf dem damaligen Halford-Comeback gemacht, während das wuchtige "Drop Out" mit gelegentlichen Effekten auf dem Gesang etwas moderner klingt.
Der einzige definitiv entbehrliche Song findet sich ganz am Ende mit dem Industrial-angehauchten "Redemption European Mix", der obendrein noch viel zu lang ausgefallen ist. Stattdessen fehlen hier natürlich noch einige Pflichtkracher wie z.B. "The One You Love To Hate" oder "Betrayal", aber dafür erwartet uns ja irgendwann die Fortsetzung.
Oben drauf gibt es dann noch eine ca. 40-minütige DVD (bei der nach dem Start dann auch das Banner der Halford-eigenen Betriebe auftaucht). Neben kurzen "Behind The Scenes"-Impressionen sind hier vordergründig die Videoclips zu "Made In Hell", "Betrayal" (das ich auf der CD noch vermisst habe), der Akustik-Nummer "In The Morning" und dem neuen Song "Forgotten Generation", sowie die Liveversionen von "Silent Scream" und "Never Satisfied" von Interesse. Na, da hat man als Bonus-DVD aber schon wesentlich schlechteres erleben müssen, zumal auch Bild und Ton trotz einiger Camcorder-Aufnahmen insgesamt völlig in Ordnung gehen.
FAZIT: Bei Greatest Hits-Alben gibt es grundsätzlich immer Licht und Schatten, dies ist aber klar einer der helleren Vertreter. Jeder langjährige Bewunderer weiß natürlich, was ihn musikalisch erwartet und letztlich muss dieser mit sich selber ausmachen, ob er seinen Geldbeutel wegen zwei neuer Songs, einer Soundauffrischung bzw. Neueinspielung bereits liebgewonnener Hymnen, sowie einer kurzen DVD zu belasten gedenkt. Wer erst spät oder aus alterstechnischen Gründen gerade jetzt erst seine Liebe zu JUDAS PRIEST entdeckt hat, findet hier aber den perfekten Einstieg, um sich auch mit dem Soloprogramm des Metalgod zu befassen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Ray Riendeau, Jay Jay, Mike Davis
Rob Halford
Metal Mike Chlasciak, Pat Lachman, Roy Z., Russ Parrish, Brian Tilse
Bobby Jarzombek, Scott Travis
Frontiers Records
112:56
2007