Wieso beschleicht einen bei dieser Sabbath-Inkarnation nicht sofort das Gefühl des Cash-In? Alles, was Tony Iommi nach Ozzy mit Ozzy machte, wirkte unglaubwürdig und hatte den Ruch Sharon Osbournschen Kalküls, auf welches die Geldmacher hinter den übrigen Bandmitgliedern - Labels und Manager – nur zu gerne einzugehen scheinen. Hört man die Beteiligten nun enthusiastisch in den Medien reden, und sollte der Ruf Dios, er gehe nur Herzenssachen an, keine Idealisierung durch uns Fans sein, dann haben wir es bei diesem Hoch-Tief-Zusammenschluss mit einer ehrlichen Angelegenheit zu tun, die - davon unabhängig - musikalisch zweifellos wertvoll und musikhistorisch relevant ist.
"After All" ist ein unerwartet sperriger Einstieg mit überraschend rauem Dio-Organ - eine Art verlängertes Intro, denn im Gegensatz zum Konsens von "Mob Rules" muss das "Dehumanizer"-Werk unverständlicherweise nach wie vor um uneingeschränkte Zustimmung unter Sabbath-Fans kämpfen. In seiner textlich modernen Ausrichtung war es zwar mit dem "Angry Machines"-Soloalbum des Sängers vergleichbar, jedoch musikalisch wenig streitbar. "Children of the Sea" kündigt Dio – höflich und kontaktfreudig wie gehabt - als erste Komposition seinerseits mit Iommi überhaupt an: eine sichere Bank wie auch "Lady Evil" und "The Sign of the Southern Cross", zwischen denen "I" eine weitere weniger offensichtliche Wahl darstellt. Die Ozzy-Reunion war in der Tat kalkulierter, als Butlers "Voodoo" und die Novität "The Devil Cried" je sein könnten.
"Computer God" als Einleitung zur zweiten CD setzt das Konzept fort, nicht einmal in Teilen Vergangenheitsverleugnung zu betreiben. "Falling Off The Edge Of The World" lässt die Anwesenden geschlossen zu willenlosen Lemmingen werden, denen die nachfolgenden Klassiker vollständig den Rest geben...Wer möchte schließlich als alter Sack sterben? - Sicher nicht Ronnie James Dio mit seiner scheinbar ewig konservierten Stimme. Als wolle man den Ewigkeitsanspruch unterstreichen, dauert ES eine Viertelstunde: "Heaven And Hell" dürfte nicht wenigen Zuschauern Tränen in die Augen getrieben haben, die sie sich mit "Neon Nights" schließlich abschüttelten. Der Spaß von über 100 Minuten geht unheimlich flott vorüber und ärgert die Nichtanwesenden im Nachhinein. Anders als die Madman-Wiederbelebung darf dies hier keine einmalige Sache bleiben, zumal die drei bereits bekannten neuen Kompositionen keine schalen Dinger sind, sondern sich unauffällig ohne Abfall in die Unsterblichkeiten einfügen. Abschließend darf noch der feine Klang gelobt werden (Iommis Gitarrensound ist den Gegebenheiten angepasst und klingt nicht nach Urzeit-Doom; ebenso heavy, aber hörbar nach Eighties statt Seventies) sowie Geezers noch fantasievolleres Spiel im Verbund mit Vinnie Appice.
FAZIT: Nachlesen wie diese vollzieht man auch gerne mit, wenn man dabei war. Andere dürfen das Erlebnis auf weniger intensivem Niveau nachholen, wobei die DVD-Version wie in den meisten Fällen vorzuziehen ist.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Geezer Butler
Ronnie James Dio
Tony Iommi
Vinnie Appice
Steamhammer/SPV
116:06
2007