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Helloween: Gambling With The Devil

Stil: Melodic Metal

Cover: Helloween: Gambling With The Devil

Bei der Frage, über welche "Hassen-Oder-Lieben"-Bands anhaltend und am eifrigsten diskutiert wird und wo es sich bei den größten Kritikern vorgeblich um "ehemalige" Fans handelt, stößt man neben NIGHTWISH und ICED EARTH unweigerlich auch sehr schnell auf die Metal-Urgesteine aus Hamburg. Bei diesen Bands war es bekanntlich jeweils ein Sängerwechsel, der die Gemüter über die Maßen in Wallungen gebracht hat; eine Diskussion, die zumindest bei HELLOWEEN eigentlich schon längst entbehrlich sein sollte, wenn man bedenkt, wie lange und vor allem um wie viel länger als sein scheinbar immer noch übermächtiger Vorgänger Andi Deris inzwischen zum Team der Kürbisköpfe gehört.

Dass die oben genannten Szenegrößen diesbezüglich aktuell wieder in aller Munde sind, beruht natürlich vordergründig auf den neuen Alben, die sie jeweils kürzlich auf den hart umkämpften Markt gebracht haben. Und dass dem zwölften Studio-Longplayer von HELLOWEEN dabei mit scheinbar noch größerer Skepsis als eh schon üblich entgegengeblickt wurde, liegt sicherlich hauptsächlich an den äußerst zwiespältigen Meinungen zum dritten Keeper-Teil, der viel zu gezwungen und überambitioniert ausgefallen war. Im Vergleich zu "The Legacy", mit dem sich die Band durch den Blick in die eigene Vergangenheit eine unnötige Vergleichslast aufgebürdet hat, zeigt sich das Quintett bei seiner Zockerrunde mit dem Teufel wieder wesentlich entspannter und unaufgeregt, mit dem Ergebnis, dass die Songs fließender und dennoch nachhaltiger ausgefallen sind.

Nach kurzem Intro mit Gastsprecher Biff Byford, in dem das nicht gerade kitschfreie Cover seine akustische Umsetzung erhält, überrascht zu Anfang mit "Kill It" aber erstmal ein Brecher im strammen Speedtempo, der angriffslustig seinem Titel gerecht wird und bei dem Andi Deris derart überzeugend den Halford gibt, als wolle er zur Begrüßung gleich mal alle Kritiker mundtot machen - was ihm mit seiner Leistung auch für die restliche Spieldauer beeindruckend gelingt. Ein saustarker Einstand, der spätestens beim abgebremsten Refrain noch die unverkennbare Note bekommt. Nicht weniger gelungen auch das folgende, im Tempo noch anziehende "The Saints". Die mit sieben Minuten längste Nummer des Albums erinnert eindrucksvoll daran, wie HELLOWEEN mit der Eröffnung der Keeper-Story zu den Vorreitern der Melodic-Speed-Welle geworden ist. Die anschließende Single "As Long As I Fall" ist ein harmonischer Ohrwurm, den man als Schwermetaller wegen seines poppigen Refrains nicht zwingend gut finden muss (um ihn zu verschmähen ist wiederum der Gitarrenpart viel zu ansprechend ausgefallen), der aber unbestreitbare Hitqualitäten aufweist und schnell zum unterbewussten Mitsummen verleitet. "Paint A New World" geht vom Tempo wieder mehr ab, bleibt bis auf eine an MANOWAR erinnernde Textzeile aber eher unauffällig und dient vor allem der Instrumentalabteilung zum Austoben. "Final Fortune" kehrt dann bis dahin am deutlichsten dieses typisch schunkelige "Happy Metal"-Element hervor, das aber bei HELLOWEEN im Gegensatz zu so vielen anderen Bands nie lächerlich oder zu schmalzig ausfällt, weil einfach auch dieses "Die dürfen das - die ham´s erfunden"-Feeling mitwirkt. Hier bleiben sie Tabellenführer in einer Liga, die sie selber ins Leben gerufen haben.

Die zweite Hälfte wird anfangs von einer als Album-Mittelpunkt ausgewiesenen Trilogie bestimmt. Dem trotz düsteren Unterton wiederum sehr bandtypischen "The Bells Of The Seven Hells", bei dem neben den schön rotzigen Gitarren mehr noch der prägende Gruppengesang hervorsticht, folgt mit "Falling To Pieces" als Art Halbballade die ruhigste, aber trotz großflächiger Keyboard-Orchestrierung auch gesichtsloseste Nummer des Albums, bevor "I.M.E." mit METALLICA-Gedächtnis-Riff und Schunkel-Refrain das textlich zusammenhängende Dreigestirn abschließt.
Bei "Can Do It" wird es mit der Happieness dann doch mal wieder zu viel, der Refrain ist extrem klebrig süß und klingt ziemlich albern, irgendwie. Als fröhlicher Konzertabschluss ist der Song aber vielleicht nicht ganz ungeeignet und so was gehört dann halt wohl bei HELLOWEEN mittlerweile einfach dazu. Die beiden recht langen Abschlusstracks "Dreambound" und "Heaven Tells No Lies" sind dafür noch mal kräftigerer Bangerstoff, der sich ohne große Besonderheiten bestens im Bandkatalog macht. Zwei abwechslungsreich verspielte und technisch hochklassige Melodic Metaller mit ordentlich Power, wie der langjährige Fan sie zu schätzen wissen wird. Wer sich dazu zählt, sollte sich um das limitierte Digipak bemühen, das eine Bonus-CD mit zwei weiteren, hier nicht vertretenen Songs und den Videoclip zu "As Long As I Fall" enthält.

FAZIT: Auch wenn man nicht allen Song das gleich hohe Niveau zusprechen kann, war die Hitdichte bei Weikath & Co schon lange nicht mehr so hoch; spätestens nach dem dritten Durchlauf hat sich fast jeder der elf Songs im Hörerhirn festgesetzt. Schwer vorstellbar, dass jemand, der bisher in der Post-Kiske-Ära etwas für sich gefunden hat, von "Gambling The Devil" enttäuscht sein wird. Ganz klar eines der besten HELLOWEEN-Alben der letzten Jahre und ein Highlight für jeden gut gelaunten Metal-Fan.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008

Tracklist

  1. Crack The Riddle
  2. Kill It
  3. The Saints
  4. As Long As I Fall
  5. Paint A New World
  6. Final Fortune
  7. The Bells Of The 7 Hells
  8. Fallen To Pieces
  9. I.M.E.
  10. Can Do It
  11. Dreambound
  12. Heaven Tells No Lies

Besetzung

  • Bass

    Markus Grosskopf

  • Gesang

    Andi Deris

  • Gitarre

    Michael Weikath, Sascha Gerstner

  • Schlagzeug

    Dani Löble

Sonstiges

  • Label

    Steamhammer/SPV

  • Spieldauer

    57:38

  • Erscheinungsdatum

    2007

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