Was für eine positive Überraschung in diesen finsteren Monaten anödender Veröffentlichungen! HELRUNAR hatten spätestens mit ihrer „Frostnacht“ so etwas wie einen „Underground Hit“ innerhalb der BM und Pagan Szene gelandet – und das, ohne der musikalischen Beschränktheit der ewig bloß auf Aggression getrimmten Genre-Vorreiter nachzueifern. Nebenbei zeigt das kleine Label „Lupus Lounge“ auch noch, dass es über geschmackssichere Talent-Scouts verfügt und sich nicht damit zufrieden gibt, die tausendsten Klon-Kasper ins Black Metal Gefecht zu schicken.
Musikalisch hat sich das Trio nicht allzu weit vom Vorgänger entfernt, und dennoch geben sich die Münsteraner klar abwechslungsreicher als in der Vergangenheit. „Baldr ok Íss“ behandelt thematisch die durch Loki initiierte Tötung Bald(u)rs, dem Gott des Lichts in der germanischen Mythologie. Wer jetzt glaubt, HELRUNAR wären nur eine weitere Band, die verklärte Nordromantik in ein verkitschtes Sprachgewand kleidet, liegt gehörig daneben. Die Texte zeugen von kreativem Sprachgebrauch und sind trotz Extremgesangs zumeist gut zu verstehen. Die gesprochenen Passagen sind gekonnt inszeniert und zeigen, dass Skald Draugir nicht zur unmenschlich zu krächzen versteht, sondern auch – im Gegensatz zur Mehrheit sonstiger „Spoken Word“-Freunde – seiner Intonation Würde und Ausdruckskraft verleihen kann. Grandios nachzuhören ist das im gänsehauterzeugen Intro „Dickichtgott“.
Wie schon eingangs erwähnt, fahren HELRUNAR musikalisch eine breitere Spannweite auf, als man es von „Frostnacht“ noch gewohnt sein könnte. Dadurch wirkt „Baldr ok Íss“ nicht etwa „untrue“ (Anwärter auf den Titel der peinlichsten Wortschöpfung der Musikgeschichte), sondern in seiner Ausdruckskraft vervielfacht: Brachiales Mitteltempo, verträumte Akustik-Intermezzi, rasende Double Bass Passagen, gewichtige Chöre und – trotz einer kalten Grundstimmung – warme Soundgebungen erzeugen ein faszinierendes, mitreißendes Black/Pagan Album, das sich einfach nicht totlaufen will. Wie heißt es bei „Íss“ so treffend: „Es ist schön anzusehen, aber kalt, so kalt“…
FAZIT: Vergesst die üblichen Verdächtigen, die rein Aggressiven, die geistigen Scheuklappenträger und gebt HELRUNAR ein bis zwei Probeläufe. „Baldr ok Íss“ ist wie ein reinigender Sturm in den verfilzten Strukturen eines Genres, das emotionale Erschütterung erzeugen will und doch oftmals bloß Eintönigkeit im Gewande vordergründer Aggression verbreitet. HELRUNAR zeigen hingegen, wie es richtig gemacht wird.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Skald Draugir
Dionysos
Alsvartr
Lupus Lounge
50:36
2007