Lange war davon zu hören, in etwa seit dem Livealbum von 2002, und nun sind LILLIAN AXE 14 Jahre nach ihrem letzten Studioalbum (die "Fields Of Yesterday" von 1999 war nur eine Outtakes-Scheibe mit alten Aufnahmen) also tatsächlich mit einem aktuellen Werk zurück. Ursprünglich deutlich im Fahrwasser von Bands wie RATT gestartet (deren vor ein paar Jahren verstorbener Gitarrist Robbin Crosby das selbstbetitelte Debüt auch produziert hat), entwickelte sich das Quintett aus New Orleans recht schnell zu einer der eigenständigsten und innovativsten Bands im gemäßigten Hardrock und Metal-Sektor. Immer super melodisch, aber mit dem gewissen Etwas, wusste man sich von Album zu Album zu steigern und die eigenen Merkmale immer weiter herauszuarbeiten. So war das Songwriting oft markanter als das der meisten Szenekollegen, und abwechslungsreiche Ohrwurmstampfer wie "Body Double" oder "Mercy" von der "Poetic Justice", sowie eindringliche Harmoniewunder wie "Stop The Hate" oder "Those Who Prey" von der "Psychoschizophrenia" klingen dem Kenner noch heute als Genre-Highlights im Ohr. Leider fiel der künstlerische Zenit von LILLIAN AXE genau in den Grungeboom, so dass trotz durchweg guter Kritiken der erforderliche Erfolg ausblieb und die Band Mitte der 90er komplett von der Bildfläche verschwand.
Mittlerweile sind die früheren Alben allesamt nur gegen Raritäten-Aufpreis zu haben und so bekommt nun also jeder, der LILLIAN AXE bisher verpasst hat, eine neue Chance; die alten Fans bedürfen vermutlich sowieso wenig an Motivation, um ihr Interesse für das neue Material zu wecken.
Dass es nach so langer Pause für die Band schwer werden könnte, nahtlos an die alten Glanztaten anzuknüpfen, dürfte aber von vornherein klar sein und beim Blick auf das aktuelle Line-Up ist auch erstmal äußerste Skepsis angebracht. Dort findet sich außer Gitarrist und Vordenker Steve Blaze nämlich niemand aus den alten Zeiten und vor allem das Fehlen des hervorragenden Sängers Ron Taylor könnte den ein oder anderen Euphoriedämpfer bedeuten, war dieser doch einer der früheren Hauptpfeiler der Kapelle aus den Südstaaten.
Sämtliche Befürchtungen den Sangesposten betreffend lösen sich erfreulicherweise ganz schnell in Luft auf, denn Neuzugang Derrick LeFevre erweist sich nicht nur als Könner seines Faches, der durchaus die Klasse eines Jeff Scott Soto (TALISMAN etc.) oder Jean Beauvoir (CROWN OF THORNS) zu erreichen vermag, sondern er klingt außerdem seinem Vorgänger erstaunlich ähnlich und kann diesen schlichtweg vergessen machen. Keine Ahnung, wo der Mann aufgegabelt wurde, aber überraschenderweise ist es auch gerade der Gesang, der großen Anteil daran hat, dass der alte Wiedererkennungswert von LILLIAN AXE bewahrt werden konnte. Klar, auch dadurch, dass niemand Bandkopf Steve Blaze beim Songwriting reingeredet hat, findet sich hier viel Altbewährtes - und dennoch ist einiges anders.
Vom "Big Easy" des Musikerseins wie zu Karrierebeginn ist auf "Waters Rising" nämlich nicht mehr viel zu spüren, stattdessen weist der LILLIAN AXE-Sound heutzutage eine wesentlich düstere Grundstimmung, oft fast bedrückte Nachdenklichkeit aus. Obwohl sich immer noch genügend Hooks finden, die einen durch das Album tragen, und auch die bandtypischen Melodien fester Bestandteil geblieben sind, erweisen sich die Songs insgesamt lange nicht mehr so fließend und unbeschwert wie früher.
Die Scheibe beginnt mit dem Titelsong schon mal ziemlich getragen und emotional gedämpft, auch mit überraschend modernem Gitarrensound, sowie sofort überzeugendem Gesang, der phasenweise "ruckelig" und zweistimmig vorgetragen erst etwas ungewöhnlich klingt, derart man aber früher schon ähnlich von LILLIAN AXE gehört hat. Und spätestens mit den typischen Gesangsharmonien ist das alte Feeling wieder da. Keine gut gelaunte Nummer, aber ein sehr guter Einstieg und als Rückmeldung bestens geeignet.
Das folgende "Antarctica" ist vom Tempo gar noch behäbiger und treibt langsam mit schwermütigem Riff vor sich hin. Auch die Gitarren klingen noch tiefer und erdiger als zu Beginn, zudem gibt Meister Blaze ein packendes Metal-Solo fast in Zakk Wylde-Manier zum Besten. Ebenfalls unerwartet, aber äußerst eindringlich.
Spätestens beim modernen "Become A Monster" mit seinem schwerem Heavy-Riffing und dem fett aufspielenden Bass wird dann endgültig klar, dass im Hause LILLIAN AXE definitiv ein anderer Wind weht. Zwar war auch das letzte Album bereits alles andere als Weichspülrock, aber zumindest vom Sound der ersten beiden Veröffentlichungen sollte man sich bei dieser Nummer gedanklich gänzlich frei machen und ohne den stets melodischen Gesang als Leitfaden würde sich manch altgedienter Anhänger fragen, wo er denn hier hinein geraten ist.
Dieser darf sich dafür dann aber bei "Quaratine" erstmals so richtig heimisch fühlen. Die Nummer, wieder im Midtempo, hätte auch auf "Psychoschizophrenia" stehen können und gefällt nicht zuletzt einmal mehr durch die abwechslungsreiche Gesangsmelodie. Die Gitarrenleads erinnern mich an den EAGLES-Hit "Hotel California", auch die Stimmung des Songs ist ähnlich, nur härter halt.
Das mit Akustikgitarre und Percussions folkloristisch startende "I Have To Die Goodbye" kommt anfangs als lockere Ballade daher, zieht mit der Zeit aber an und weist einige interessante Details auf. "Fear Of Time" im Anschluss ist hingegen wieder recht heavy modern, will durch seine sperrig und breaklastige Ausrichtung aber nicht so recht hängenbleiben.
Die zweite Albumhälfte zeigt sich mit "Until The End Of The World" kurzfristig wieder etwas leichtfüßiger, bevor mit "Fields Of Yesterday" der monumentalste Gefühlsbrocken einer alles andere als sonnigen Scheibe ansteht. Nach präludierenden Keyboard-Streichern schwelgt die Nummer verträumt vor sich hin, bevor die Schlusssequenz wieder dem Chef und seinem Instrument alleine gehört. Gutes Gefühlskino, in der Art auch Emotionsrocker wie EXTREME ("More Than Words") früher zu glänzen wussten; mit fast neun Minuten vielleicht aber doch etwas zu lang ausgefallen.
"Thirst" und "The 2nd Of May" sind wiederum gute, aber nicht sonderlich auffällige Nummern, bei denen man das Gefühl hat, sie in ähnlicher Form bereits kurz zuvor gehört zu haben. Obwohl sich die Arbeit an dem Album über mehrere Jahre erstreckt hat, scheinen zum Ende hin etwas die Ideen ausgegangen zu sein.
Das gleiche Problem betrifft auch das erneut überlange "Deep In The Black", eine düstere Breitwand-Ballade mit einigen Soundspielereien, die aber die Spannung nicht über die gesamte Länge halten kann. Mit "5" beschließt dann ein frickelschwangeres Instrumental das Album, das hauptsächlich als Schaukasten für die Blaze-Gitarrenkünste dient und nicht so recht ins Gesamtbild passen will.
FAZIT: Obwohl die Trademarks unverkennbar sind, haben die vergangenen Jahre ihre Spuren im Sound von LILLIAN AXE hinterlassen, was in erster Linie am Stimmungswandel auszumachen ist. Im großen Maße melancholisch, oft schwermütig erweist sich "Waters Rising" dennoch als anspruchsvolle und würdige Fortschreibung der Bandhistorie - auch wenn man insgeheim den ein oder anderen ungezwungenen Ohrwurm in Art der alten Posertage vermisst...
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.01.2008
Eric Morris
Derrick LeFevre
Steve Blaze, Sam Poitevent
Steve Blaze
Ken Koudelka
Locomotive Records
66:51
2007