Einen mittelschweren Brocken schmeißen OCEANSIZE der Hörerschaft da zum Fraße vor. Easy Listening hat wahrscheinlich auch niemand erwartet, doch ist „Frames“ noch ein Eckchen sperriger ausgefallen als andere Releases dieses englischen Quintetts. Sehr stilvoll kommt schon die Aufmachung daher: Der Bandname ist schwerlich zu entziffern in den roten Karton geschnitten und das Booklet „glänzt“ mit roter Schrift auf rotem Untergrund – ergonomisch ist sowas nicht zu nennen, denn das Lesen der Schrift gelingt nur bei gewisser Lichteinstrahlung und verursacht nach kurzer Zeit Kopfschmerzen und Halluzinationen. Aber Kunst darf sowas.
Der seltsam mit „Commemorative ____ T-Shirt“ betitelte Opener macht den Einstieg schwer: Repetitive Muster, die ihre Abwechslung hauptsächlich im verspielten Schlagzeug und vereinzelten Gitarrenakzenten finden, üben eine fast schon – im positiven Sinne! – einschläfernde Wirkung aus. Der einsetzende Gesang lockert die vordergründige Monotonie auf und öffnet Wege für härtere Gitarren und mehr Dynamik. Der erste Track macht deutlich, dass OCEANSIZE hier reine Kopfhörermusik abliefern. Direkte Hits schreiben (glücklicherweise) andere.
Möchte man von Anspieltipps sprechen, so fallen das mit melancholischem Gesang und dominant akzentuierten Gitarren angereicherte „Trail Of Fire“ und vor allem das grandiose „Savant“ auf, das fast schon ätherisch-zerbrechlich beginnt und gesanglich sanft den Schwermut von PORCUPINE TREE in der „Fear Of A Blank Planet“ Ära zelebriert. Die Spannung wird behutsam aufgebaut, eine kleine Bridge leitet über zu einer schwelgenden Gitarrenmelodie, bevor sich nach und nach immer mehr Bombast auftürmt, nicht zu aufdringlich, da ist kein Soundwall, der die Gehörgänge verkleistert, hier mischen sich fast schon unauffällig Streicherklänge in den Gitarrensound und lassen diesen nach und nach im Hintergrund verschwinden. Böse Zungen sprächen hier von einer Nähe zur „Bittersweet Symphony“, doch OCEANSIZE beherrschen ihr Metier ungleich besser, vielschichtiger und berührender als die tendenziell unspannenden THE VERVE.
Das zehnminütige Instrumental „An Old Friend Of Christy´s“ zeigt wieder, wie wenig sich die Briten um leichtverdauliche Kost scheren. Der schleichende, hypnotische Schlagzeugrhythmus erinnert etwas an TOOL, doch OCEANSIZE verweilen länger bei ihren Themen: Das sich wiederholende Gleichmaß wird erst nach fünf Minuten aufgebrochen: Dann türmen sich die Gitarren langsam auf wie dunkle Gewitterwolken, aus denen gleißende Blitze dramatisch auf die schwarze Erde niederbrennen. Das liegt schwer im Magen, fast schon doomig, beinahe schon Drone – aber OCEANSIZE entwickeln aus all der Schwere stets Harmonien.
„Frames“ bewegt sich zu weiten Teilen in einer Schnittmenge aus Originalität, PORCUPINE TREE und TOOL, ohne deren abgehobene Versponnen- und Abstraktheit. Aus dem Rahmen fällt da das progmetallische Stakkato-Riff getriebene „Sleeping Dogs And Dead Lions“, das neben Klargesang auch extremes Gebrüll zu bieten hat.
FAZIT: OCEANSIZE erschaffen mit „Frames“ ein Album, das die Aufmerksamkeit fordert, das die Harmonien von PORCUPINE TREE mit dem Mystischen von TOOL verbindet und doch eigen klingt. Der erste Hördurchlauf dürfte bei den meisten keinen Eindruck hinterlassen. Doch setzt man sich länger und intensiver mit diesem Album auseinander, so werden nach und nach Facetten und Schichten freigelegt, die wahre Schönheit durchscheinen lassen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.02.2008
Steve Hodson
Mike Vennar, Steve Durose
Mike Vennar, Stanley Posselthwaite, Steve Durose
Mark Heron
Superball Music
77:34
2007