So kann es gehen: da kennt man einen Bandnamen nur vom Hörensagen, erwartet nichts und bekommt gehörig die Leviten gelesen. OCTOBER FILE liefern hiermit nicht weniger als eines der besten Alben des Jahres ab.
Gehüllt in ein die Ästhetik der Nationalsozialisten ihrer Hässlichkeit noch übertreffendes Artwork, erwartet den Hörer ein Hassklumpen mit politischen Texten so zynisch und direkt, wie sie nur von Briten überzeugend verfasst werden können. „Holy Armour“ ist völlig trocken produziert worden, besitzt bombenfesten Kitt zwischen den monumentalen Riffbausteinen eines Soundmassivs, das auch hinsichtlich des druckvoll inszenierten Schlagzeugspiels an Killing Jokes selbstbetiteltes Meisterwerk erinnert. Weit hergeholt ist dieser Vergleich ohnehin nicht, da Jaz Coleman OCTOBER FILE sein gottloses Organ in einigen Stücken leiht. Ähnlich wie der Postpunk-Pionier selbst zeigen seine Schützlinge, wie man Monotonie ungestraft nicht mit Langeweile übersetzt und dabei an Dringlichkeit und Intensität des Vortrags nichts zu wünschen übrig lässt. „High Octane Climate Changer“ (grandios atmosphärischer Mittelteil, und dann wird die Bedrücktheit endlich mit fiesem Gelächter relativiert), „Friendly Fire“ und „Blood and Sweat“ sind kleine, laute, keinesfalls kleinlaute Meisterwerke brutaler Musik mit Message und ohne aufgesetzte Attitüde.
Wäre die Hitdichte so hoch wie etwa bei Killing Jokes „Democracy“, und wäre Shouter Ben immer so variabel wie im dezent melancholischen „Another Day“ – OCTOBER FILE hätten sich eine Höchstnote verdient.
FAZIT: OCTOBER FILE begeistern und erlösen von angestauten Aggressionen mit trockengeblasenen Soundwällen, so dass der Putz im britischen Oberhaus von der Decke rieselt. Liebhaber des Tödlichen Witzes halten sich das Zwerchfell, oder profan gesagt: geil! So etwas müssten Ministry auf ihrer Abschlusstournee anheizen lassen...
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.01.2008
Steve Beatty
Ben Hollyer
Matt Lerwill
John Watt
Candlelight/Soulfood
55:14
2007