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Reviews

Primal Fear: New Religion

Stil: Heavy Metal

Cover: Primal Fear: New Religion

Nachdem PRIMAL FEAR bereits auf ihrem letzten Album "Seven Seals" ansatzweise neue Facetten in ihren Stil haben einfließen lassen, gehen sie diesmal noch einen Schritt weiter. Anfangs war mir dann auch nicht ganz klar, was ich denn nun von "New Religion" halten soll, aber nach einer gewissen Eingewöhnungszeit hat auch die neue Seite des schon länger zur Führungsriege der nationalen Metalszene zählenden Quintetts seinen Reiz.

Bevor dem langjährigen Fan der Schrecken jetzt aber zu tief in die Glieder fährt, sei diesem zur Beruhigung gesagt, dass er natürlich auch dieses Mal nicht auf den altbewährten "priestigen" Sound der Chartbreaker verzichten muss. So erklimmt Frontscherge Ralf Scheepers im treibenden Opener "Sign Of Fear" dann auch ohne Umschweife die Höhe, in der Rob Halford in besten Zeiten seine unverrückbare Fahne platziert hat. Das Gitarrendoppel, bestehend aus Stefan Leibing und dem zurückgekehrten Henny Wolter (für ein paar Soli hat zuvor der schwedische Gitarrist und ALLEN/LANDE-Macher Magnus Karlsson ausgeholfen), fährt gleichzeitig eine breitangelegte Riffattacke und der Kanadier im Team Randy Black beeindruckt wie zuletzt mit seiner Drumarbeit, die den ehemaligen ANNIHILATOR-Stockschwinger einmal mehr als einen der Besten seines Fachs ausweist.
Ein gelungener wie erwarteter Einstand also und ähnliche bandtypische Reißer lassen sich mit dem rasanten Titelsong, dem simplen Stampfer "Too Much Time", dem etwas an frühe GAMMA RAY erinnernden "World On Fire" oder dem nur durch den Hall auf dem Gesang etwas ungewohnt wirkenden "Blood On Your Hands" auch später noch vermehrt finden. Und abgesehen vom Opener scheint bei "Psycho" die Verneigung zu den vermeintlichen Vorbildern nochmals besonders groß (bzw. tief).

Zwischenzeitlich weicht die Band unter der führenden Hand von Mat Sinner, der unterstützt von Charlie Bauerfeind wieder äußerst prächtig produziert hat, jedoch von ihrem traditionellen Metal-Stil ab (der aber noch nie so einspurig war, wie manche gerne behaupten). Orchestrale Untermalung gab es zwar auf den Vorgängeralben bereits zu finden, aber im Verbund mit oftmals sehr melodischen Refrains und modernen Soundtüfteleien weisen Songs wie etwa die Breitwandnummer "Face The Emptiness" eine ungewohnte Hittauglichkeit auf. Besonders hoch ist diese bei der detailliert ausgearbeiteten Dramatik-Ballade "Everytime It Rains", bei der es zum von Streichern getragenen Gesangsduett zwischen Ralf Scheepers und EPICAs Vorzeigestimme Simone Simons kommt. Die rothaarige Holländerin steht dabei aber deutlich im Vordergrund und wird von Scheepers eher begleitet, so dass man die Nummer unwissentlich kaum als PRIMAL FEAR-Song ausgemacht hätte, sondern vielmehr der Stammband der Dame zurechnen könnte. Bezeichnenderweise gefällt mir der Song jedoch besser, als das Meiste auf deren aktuellen Output.

Das im Zentrum der Scheibe platzierte, dreigeteilte Harmonie-Opus "Fighting The Darkness" erweist sich dann als bisher wohl ambitioniertestes Stück der Band überhaupt. Eingeleitet (und ausklingend) durch Pianotupfer und vorerst dezente Streicher steigert sich der Song, immer wieder auf den extrem einprägenden Refrain zurückgreifend, durch erneut breit angelegte Orchestrierung fast bis in monumentale Soundtrackregionen. Der instrumentale Mittelteil namens "The Darkness" mit Schwerpunkt auf der Leadgitarre könnte gar aus dem Hause SAVATAGE stammen. Der Song unterstreicht ebenfalls deutlich die Klasse und das Spektrum des bei Auftritten immer etwas jovial wirkenden Sängers, der auf "New Religion" mit seiner zweifellos vielfältigsten und ausdruckstärksten Leistung glänzt.
Ob jedoch ein bekennender "Rein-Metaller" mit solch einer Gefühlsnummer klar kommt? Schwer zu sagen, könnte dieser doch gar schon mit dem eingängig-beschwingten "The Curse Of Sharon" seine Probleme haben oder über die zeitlich großzügig ausgelegte Abschlussballade "The Man (That I Don´t Know)" im Stile vom "Seven Seals"-Titelsong die Nase rümpfen. Wenn man sich jedoch Zeit für das mittlerweile siebte Album der Band nimmt, sollte man als scheuklappenfreier Hörer bald feststellen, dass PRIMAL FEAR mit "New Religion" ohne auf Konventionen zu achten nicht nur ihr modernstes, sondern auch ihr anspruchsvollstes Werk vorgelegt haben, bei dem die Atmosphäre eine größere Rolle spielt, als noch auf den brachialeren Vorgängern.

FAZIT: Pünktlich zum zehnjährigen Bandjubiläum zeigen sich PRIMAL FEAR experimenteller und abwechslungsreicher denn je und gehen einer möglichen Stagnation gekonnt aus dem Weg. Ob dies bei der Anhängerschaft auf allgemeine Akzeptanz stößt, bleibt zwar abzuwarten, dennoch strahlen sie mit "New Religion" weiterhin eine unverkennbar hohe Präsenz aus.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.01.2008

Tracklist

  1. Sign Of Fear
  2. Face The Emptiness
  3. Everytime It Rains
  4. New Religion
  5. Fighting The Darkness
  6. - The Darkness
  7. - Reprise
  8. Blood In Your Hands
  9. The Curse Of Sharon
  10. Too Much Time
  11. Psycho
  12. World On Fire
  13. The Man (That I Don´t Know)

Besetzung

  • Bass

    Mat Sinner

  • Gesang

    Ralf Scheepers, Mat Sinner, Simone Simons, Tobias Lundgren

  • Gitarre

    Stefan Leibing, Henny Wolter, Magnus Karlsson

  • Keys

    Matz Ulmer

  • Schlagzeug

    Randy Black

  • Sonstiges

    Matz Ulmer (Orchestral arrangements), Ronny Milianowicz (Loops & Support)

Sonstiges

  • Label

    Frontiers Records

  • Spieldauer

    54:00

  • Erscheinungsdatum

    2007

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