Genau zwei Jahre ist es her, dass die Band aus Kalifornien mit ihrem Debüt zurecht für einiges Aufsehen in der Metal-Landschaft gesorgt hat. Mancher beschränkte zwar von Beginn an die Relevanz von BENEDICTUM sowohl im Guten, wie im Lästerlichen auf das auffallende Äußere von Sängerin Veronica Freeman, das ändert aber nichts daran, dass ganz alleine schon ihr Gesangsorgan zum Markenzeichen des Quartetts gereicht, mit dem sie auf "Uncreation" den Songs in der Schnittmenge von BLACK SABBATH, DIO, SAVATAGE und natürlich CHASTAIN erst die richtige Würze gegeben hat. Unschuldig daran, dass die Musik schnell mal in den Hintergrund rückt, ist sie natürlich nicht und sie nimmt dies auch bewusst zugunsten größtmöglichen Auffallens in Kauf, schließlich zeigt sie auf diversen Fotos und auch im Bühnenoutfit gerne ostentativ ihre vermeintlich körperlichen Reize. Dennoch sollte es einem als Hörer eigentlich ziemlich...äh...Latte sein, wie sie sich optisch präsentiert oder ob denn alles "echt" ist, was man da so sieht, wie es in Äußerungen zu der Band auch gerne angezweifelt wird. Denn welchen ernstzunehmenden Metaller interessiert das noch, wenn er etwa in der vergangenen Festivalsaison feststellen konnte, dass die Dame auch in Natura voll überzeugen kann - gesangstechnisch versteht sich.
Nun soll also der nächste Schritt Richtung Power Metal-Olymp getan werden und "Seasons Of Tragedy" bringt vieles mit, um noch so einige Zweifler auf die richtige Seite zu ziehen. Und das wollen BENEDICTUM scheinbar mit Macht, denn nach kurzem, sphärischem Intro zeigen sie gleich beim wuchtig treibenden "Shell Shock" Faust und Zähne. Eine schnelle, harte Nummer zum Einstand mit "Hallo-Wach-Effekt", die mit zum Besten und Härtesten gehört, was das Quintett bisher abgeliefert hat. Es wird dann auch sofort wieder deutlich, dass die Dame im Fokus (Neueinsteiger werden sie gehörlich womöglich nicht sofort dem richtigen Geschlecht zuordnen) reichlich Feuer in der Kehle hat. Andere Songs sind zurückhaltender, dort zeigt das kleine Kraftbündel, dass sie es nicht nur rau, sondern auch melodisch sanft drauf hat. Bestes Beispiel dafür wird am Ende der fast 12-minütige Titelsong sein, der vielschichtig und durch die eingebundenen Keyboardflächen fast schon progressiv (stilistisch gesehen) anmutend das Album würdig abschließt.
Vorher sind es aber gerade die weiteren schnellen Songs wie "Burn It Out" oder das mit SAVATAGE-Elementen und besonders eindringlichem Gesang ausgestattete "Beast In The Field", die am meisten begeistern können. Schmackhafter Bangerstoff gehobener Güte. Das getragene "Bar Bones" oder auch "Legacy", bei dem mir das dort erstmals stärker eingesetzte Keyboard nicht so recht gefallen mag, sind da zwar nicht ganz so spannend, dienen aber ebenso der Abwechslung wie eine gefühlvoll-düstere Nummer namens "Steel Rain". Auch im Einzelnen sind die Songs durch diverse Tempowechsel und gezielt eingesetzte Effekte recht facettenreich ausgefallen. Trotz dem Verlass auf Altbewährtem, vermeidet die Gruppe dadurch jegliche Plattitüden. Die fette, topmoderne Produktion drückt die Songs dabei wie schon beim Debüt mächtig aus den Boxen. Besonders bevorzugt von Boardmaster Jeff Pilson (Ex-DOKKEN, DIO) wurde unüberhörbar der Drummer, der ordentlich ballert, während der durchgehend begeisternden Gitarre von Pete Wells dadurch an mancher Stelle etwas an Schärfe fehlt. Dies ist aber nur als kleiner Kritikpunkt zu verstehen, der Soundwall ist schon sehr genehm.
Die Interpretation des ACCEPT-Klassikers "Balls To The Wall", bei dem man abgesehen vom "gescrachten" Beginn dicht am Original bleibt, ist ein weiterer Albumhöhepunkt, bei dem man nur zu gerne den Regler noch mal eine Stufe weiter dreht. An dieser Stelle passt dann auch als vorweggenommenes Fazit, dass weiblich angeführter Metal außerhalb des Extrembereichs nicht oft so viel Eier hat, wie hier, und Frau mit einer solchen Stimme im heutigen Metal eine klare Ausnahmeerscheinung ist (auch wenn ich weiterhin Leather Leone vermisse...).
Ach ja: Ein weiterer Coversong wird noch auf dem Digipack enthalten sein. Der lag hier zwar leider nicht vor, aber wer das Debüt kennt, der weiß, dass mit "Catch The Rainbow" eine weitere Ronnie James Dio-Nummer wohl eine würdige Umsetzung erfahren wird.
FAZIT: Eine kraftvolle Bestätigung des Debüts ist sie geworden, die neue BENEDICTUM. Das Überraschungsoment ist zwar weg, dafür kracht es auf "Seasons Of Tragedy" noch abwechslungsreicher, härter und mit mehr Selbstbewusstsein, wodurch die Band aus San Diego auch in Sachen Wiedererkennungswert zulegen konnte. Daher vergesse man einfach mal kurz das Äußere und nehme gefälligst eine Hörprobe, bevor man seine Meinung kundtut - es lohnt sich!
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.02.2008
Jesse Wright
Veronica Freeman
Pete Wells
Chris Morgan
Paul Courtois
Locomotive Records
59:02
2008