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Reviews

Birds And Buildings: Bantam To Behemoth

Stil: Canterbury / Retro Prog

Cover: Birds And Buildings: Bantam To Behemoth

Eines vorweg: Ich hasse kitschigen, klebrigsüßen Symphoprog, angereichert mit käsigen Keyboards, aufgeplusterten Gitarrensoli und endlos langen „Epen“, welche meistens bis zu völlig überflüssigen 20 Minuten aufgeblasen werden. Es ist eine Krankheit, liebe Leute, welche mein Lieblingsgenre schon seit etlichen Jahren dahinrafft. „Retro“? Nein, wohl eher „im Sterben liegend“.

Zum Glück gibt es ja Medizin dagegen.

Zum Beispiel die vorliegende Scheibe „Bantam to Behemoth“, welche von Dan Brittons (CEREBUS EFFECT, DELUGE GRANDER) neuer Band BIRDS AND BUILDINGS in Washington eingespielt wurde.

Das Rezept scheint simpel: Man nehme einen kräftigen Schuss Canterbury-Sounds aus dem Hause CARAVAN, ROBERT WYATT und GONG, vermenge dies mit den früheren GENESIS und KING CRIMSON und gebe noch eine Prise Jazzrock der Marke RETURN TO FOREVER hinzu. Fertig ist die Pille für all diejenigen, die gedacht haben, dem klassischen Progressive Rock wäre die Puste ausgegangen.

Schon der erste Track „Birds Flying Into Buildings“ mit seinen unheilschwangeren Mellotronchören, Hochgeschwindigkeits-Keyboardsoli und jazzigen Saxophoneinlagen beweist, dass hier keine leichte Kost geboten wird. Die Musik von BIRDS AND BUILDINGS könnte man zumindest bis hierher mit EGG oder KING CRIMSONs „Lizard“ vergleichen. Und wenn hier einem Neoproggie schon das Grausen kommt: schlagt euch erst mal einen Weg durch dieses Soundgestrüpp, denn dann erkennt ihr bereits nach einigen Durchläufen die Qualität dieser Scheibe.

Bei den nächsten beiden Songs treffen wir allerdings auf ein kleines Hindernis. Dan Britton trällert hier an einigen Stellen irgendwas ins Mikro, was sich wohl eher nach einem Frosch mit Schluckauf anhört, als nach Gesang. Tut mir leid, aber dafür gibt’s schon mal die ersten Punktabzüg. Denn obwohl „Terra Fire“ und „Tunguska“ zwar hervorragende Songs an sich sind, macht der Gesang von Britton leider so einiges kaputt.

Nichtsdestotrotz lasse ich die Scheibe weiter rotieren, was ich wahrlich nicht bereut habe. Die mittigen drei Tracks vermitteln das Gefühl, dass auf „Bantam to Behemoth“ ein dreiteiliges Konzept aufgebaut wird, jeweils bestehend aus drei Kompositionen. Auf jeden Fall ist dies etwas besonderes, wenn man bedenkt, dass so manche Retroprog-Kombo bereits vor lauter Übereifer in die „30 Minuten-Longtrack-Falle“ getappt ist.

Wie gesagt, “Caution Congregates And Forms A Storm”, “Chronicle Of The Invisible River Of Stone” und das exotisch angehauchte “Yucatan 65: The Agitation Of The Mass” sind zwar deutlich ruhiger, die Band nimmt das Fuß vom Jazz-Gaspedal, doch gerade dadurch entsteht ein interessanter und angenehmer Kontrapunkt zur restlichen Abgedrehtheit des Albums. Schön dahinfließender Retroprog in bester „Trespass“-Manier! Die obligatorische Querflöte nicht zu vergessen…

„Chakra Khan“ und „Battalion“ schlagen nochmal in die gleiche Kerbe wie die ersten Songs, jazziger Retroprog mit schwelgenden Mellotronsounds und abgedrehten Soli. „Sunken City, Sunny Day“ beendet dann das Album leicht psychedelisch und nachdenklich, was „Bantam to Behemoth“ eine runde Sache werden lässt.

Ein besonderer Punkt, den ich noch erwähnen möchte, ist die Produktion. Hier dürften sich die Geister scheiden: Die einen rufen es den „warmen, klassischen 70er Jahre Sound“, die anderen können mit „einer wattigen, kraftlosen Produktion“ nichts anfangen. Dies sei jedem selbst überlassen, ob er die Zeitreise in die seligen 70er auch soundtechnisch miterleben möchte. Ich für meinen Teil muss auch hier ein paar Punkte abziehen, denn die Songs hätten noch gewaltig an Dynamik und „Catchiness“ gewinnen können, hätte man das Album besser abgemischt. Schließlich ist man ja irgendwo an den technischen Standards von heute gewöhnt…

FAZIT: Trotz des lahmen, nervigen Gesangs und der veralteten Produktion bleibt immer noch ein sehr gutes Retroprog-Album übrig. Dan Britton erweist sich einmal mehr als Hoffnung für den klassischen Sound, gibt ordentlich Gas und haucht dem verstaubten Symphoprog-Songwriting neues Leben ein. „Lizard“ von KING CRIMSON, GENESIS’ „Trespass“-Album und Anleihen am CANTERBURY-Sound ergeben eine höchst interessante Mixtur, die voller Abwechslung steckt. Somit darf ich BIRDS AND BUILDINGS zwar nicht als Allheilmittel, aber als wirkungsvolle Medizin für alle kitschgeschädigten Progheads anbieten!

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.10.2008

Tracklist

  1. Birds Flying Into Buildings
  2. Terra Fire
  3. Tunguska
  4. Caution Congregates And Forms A Storm
  5. Chronicle Of The Invisible River Of Stone
  6. Yucatan 65: The Agitation Of The Mass
  7. Chakra Khan
  8. Battalion
  9. Sunken City, Sunny Day

Besetzung

  • Bass

    Brett d’Anon

  • Gesang

    Dan Britton

  • Gitarre

    Dan Britton, Brett d’Anon

  • Keys

    Dan Britton

  • Schlagzeug

    Malcom McDuffie

  • Sonstiges

    Brian Falkowski (Saxofon, Flöte, Klarinette)

Sonstiges

  • Label

    Emkog Records

  • Spieldauer

    69:25

  • Erscheinungsdatum

    25.02.2008

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