CANVAS SOLARIS - nach wie vor die relevante Band, wenn es um gesangsfreie Musik zwischen Metal und Abgehobenem geht. “The Atomized Dream” bietet in veränderter Lineupkonstellation visionäre Songs, ohne in schwer im Magen liegende Avantgarde zu verfallen. Das ist Kunst im wahren Wortsinn: Können wird ebenso gezeigt (instrumentaltechnisch), wie die Band dem Hörer Möglichkeiten aufzeigt: es sind neue Möglichkeiten der Betrachtung - solche eines abgegrast geglaubten Genrefeldes oder auch die des eigenen Selbst… universell wie auf den Einzelnen beziehbar.
Schwurbel? - Nein, denn man stelle die Frage, wann instrumentaler Metal mit stilistischem Mehrwert (Ethno, Prog, futuristische Sounds, Jazz) zuletzt derart die Gemüter bewegen konnte wie CANVAS SOLARIS das über ihre Handvoll Releases hinweg… Wen diese Musik kalt lässt, der ist längst erkaltet. Gleichwohl sie über harsche Momente verfügen, schaffen es Hunter Ginn und Freunde, den Hörer nie zu vergraulen; allerdings sollte dieser auch mit der Bereitschaft zuzuhören an die Gruppe treten, denn zur Berieselung und zum Säuseln ist dieser Sound denkbar ungeeignet.
Hängenlassen ist auch gar nicht möglich, und trotz des träumerischen Einstiegs in die Scheibe auch keineswegs das Stillsitzen. “Reflections Carried To Mirror” bringt nicht nur laut Titel quasi den Berg zum Propheten, wenn beschwörende Klänge auf mathematische Rhythmik treffen. Ähnlich verfährt man bei “Heat Distortion Manifest”, wo ätherische Brüche immer wieder von Stakkatorhythmen aufgewiegelt werden. Die verschrobenen Keyboardklänge in “Chromatic Dusk” hingegen stellen ein weiteres Kennzeichen der ureigenen Ästhetik von CANVAS SOLARIS dar. Neu sind blubbernde Bässe und Beinahe-Discosounds aus den Siebzigern, generell himmlisch das Verständnis dieser Band, den Hörer zu beschwingen: kaum eine Band ohne Sänger schafft es, derart bildhaft zu musizieren. CANVAS SOLARIS sprechen vieles aus, was andere selbst mit drei Frontmännern nicht hinbekommen würden.
FAZIT: CANVAS SOLARIS zerreißen die Klischees von Instrumentalmusik als elitärem Quatsch für Musiker unter sich. Höret und staunet, lernet und genießet, denn “The Atomized Dream” bietet gewohnte Bandqualität mit einigen neuen Facetten. Technik und Gefühl sowie ein Gespür für bisher Unerhörtes vereint kaum sonst jemand derart gekonnt. Cynic, Coroner, Mekong Delta und Konsorten sind allenfalls wackelige Beschreibungseckpfeiler.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.06.2008
Gaek Pirlot
Nathan Sapp, Chris Rushing
Nathan Sapp, Donnie Smith
Hunter Ginn
Chris Rushing (e-bow), Hunter Ginn (programming)
Sensory/Al!ve
47:26
13.06.2008