Es gibt Geschichten, die das Leben schreibt – und eine davon hat mit der Rückkehr von CENTRAL PARK auf die Bretter, die zwar bekanntlich die Welt bedeuten (aber bei progressiven Rockmusikern oftmals höchstens die Plattform zur Darbietung ihrer musikalischen Leidenschaften ist, mit denen man kaum einen Euro verdienen kann) zu tun. Worin liegt also der Grund für diese Wiedergeburt nach fast 20 Jahren? Welche Geschichte verbirgt sich dahinter?
Machen wir´s kurz. Es war ein purer Zufall, der recht eng mit dem Namen RICK WAKEMAN und einem einzigen Satz von ihm in Verbindung steht. Nach einem YES-Gig in der Münchner Olympiahalle durften der Tastenmann und der Schlagzeuger von CENTRAL PARK sich im Backstage-Bereich aufhalten und mit ALAN WHITE & RICK WAKEMANN plauschen. Und während ARTUR SILBER von sich gab, dass trotz des riesigen Erfolges vergangener Zeiten ihn die Musik von YES nie so sehr bewegt hat wie bei dem gegenwärtigen Auftritt, der einfach entspannter und sichtlich freudvoller dargeboten wurde, erhielt er auf diese „Provokation“ von WAKEMAN die überraschende Antwort: „Exakt so, wie du das gerade ausdrückst, fühlen wir uns als Band auch!“ Und so begannen auch die Säfte wieder in den bayrischen Progrockern zu brodeln und die „alten Säcke“ beschlossen sich wiederzubeleben. Zwar hatte man sich äußerlich verändert, aber der Rocker voll Perfektion lebte bei allen wohl noch in ihrem Inneren und brach mit einem gigantischen Paukenschlag aus.
Und dass die Jungs nichts von ihrem Können, ihrer musikalischen Leidenschaft und ihrer progressiven Göttlichkeit, die sich, neben textlichen Bezügen zu wahren Göttern (Hades sowie Orpheus & Eurydike), musikalisch an den progressiven Göttern von YES, ELP, KING CRIMSON oder PINK FLOYD orientiert, verlernt haben, kann man auf „Live! - The Unexpected Concert!“ sehen und hören. Bei dieser Musik geht garantiert nicht nur dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude „das Herz auf“, wie er es in einem Grußwort an die progressiven Lokalpatrioten zum Ausdruck brachte. Allerdings weiß ich nicht, ob es heutzutage günstig ist, sich in diesem Musik-Bereich Zuspruch von Politikern zu holen, deren größte Leidenschaft meistens ja im Einsparen an Zuschüssen für kulturell anspruchsvolle, aber wirtschaftlich nicht erfolgsverheißende Projekte besteht.
In Originalbesetzung, verstärkt durch eine junge Dame, die als Special Guest in ihrem blauen Glitzer-Abendkleidchen sowie ihrem Zahnpastareklamelächeln auch bei jeder Miss-Germany-Wahl durchgehen würde und dazu noch ausgezeichnet singen kann (Was mal ganz abgesehen von der Optik natürlich das Allerwichtigste ist!), erobern CENTRAL PARK im Januar 2007 während der 1. Münchner Prog-Nacht“ die Bühne des Metropolis. Schon am Dauerlächeln des Schlagzeugers, der ungewöhnlich oft zu sehen ist, erkennt der Zuschauer die Freude und Leidenschaft, mit der die Musiker hier zu Werke gehen. Und selbst von DVD überträgt sich dieses Gefühl der aktiv musizierenden „alten Säcke“ auf die nicht ganz so aktiven „alten Säcke“ vor dem Bildschirm.
Mit einer gehörigen Portion Bombast eröffnet „Face The Space“ das leider nur 68 Minuten dauernde Konzert. Klassischer Artrock also, der gleich die Richtung vorgibt und auf ein wahrhaftes Opus Magnum von CENTRAL PARK zusteuert, das eine Band wie SPOCK´S BEARD zu ihren Glanzzeiten auch nicht besser hinbekommen hätte: Don´t Look Back. Ein gigantischer 20-Minüter, in dem in Form einer musikalischen Achterbahnfahrt durch fast alle Stile, die sich unter dem Begriff Prog-Rock vereinen, die Geschichte von Orpheus und Eurydike erzählt wird. Und wer immer schön im Deutschunterricht aufgepasst hat, der weiß, dass es in dieser Sage um Orpheus geht, der nach dem Tod Eurydikes in die Unterwelt steigt, um mit seiner Lyra den Gott Hades umzustimmen und ihm seine Eurydike zurück zu geben.
Daher auch der Titel „Schau nicht zurück“, denn genau das sagt Hades zu Orpheus, als er dessen Wunsch erfüllt, aber ... musikalisch ist dieser Titel eine leidenschaftliche Rückschau auf längst vergangene Kunstrock-Zeiten und würde aus diesem Blickwinkel seine Bedeutung selbstverständlich infrage stellen!
Natürlich taucht hier als Eurydike und zugleich optischer Höhepunkt die bereits erwähnte Sängerin CORY GODESS auf, die im wirklichen Leben ihre offiziellen Dokumente mit dem Namen Reithuber unterschreiben muss. Und Frau Reithuber versüßt uns dann auch bis zur letzten Zugabe dieses Konzert. Ein absoluter Vorteil dieser DVD. Man stelle sich nur mal vor, wir alten, als hässlich verrufenen Prog-Fans würden nur eine Audio-CD-Aufnahme bekommen – uns wäre da einiges entgangen.
FAZIT: CENTRAL PARK beweisen auf dieser DVD, was für eine fantastische Live-Band sie sind und wie modern Musik klingen kann, die an wirkliche Größen des 70er-Jahre-Progs erinnert. Auch wenn die DVD nur Stereo-Ton enthält und auf jegliches Extra-Beiwerk verzichtet, ist sie garantiert eine Bereicherung für jeden, der liebevoll seine Vinyl-Scheibchen von YES, PINK FLOYD usw. im Plattenschrank hütet!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.02.2008
York von Wittern
Heiko Möckel, Cory Godess
Hans Ochs, Heiko Möckel
Jochen Scheffter
Artur Silber
Transformer Records / Point Music
68:00
2008