Mittlerweile gehört haben dürften die meisten bereits von CHTHONIC - die Musik vernommen haben dann aber wohl weniger Metalfans, als daß sie ob des Exotenstatus auf den Namen der Asiaten aufmerksam geworden sind. Diese geschmackvoll aufgemachte CD ist eine Zusammenstellung von Material aus zehn Jahren Bandhistory inklusive Neuaufnahmen von alten Stücken.
“Onset Of Tragedy” gestaltet nach mystischem Intro den Erstkontakt mit Keyboarddominanz bei gleichzeitig dick aufgetragenem Stakkatorhythmus-Fundament. Das Tempo ist meist getragen und wirkt durch die gute Produktion dennoch wuchtig. Der Song strahlt Tragik aus und ist weniger Black Metal im orthodoxen Sinn, was nicht zuletzt die wiederkehrenden weiblichen Singsangs unterstreichen. Hypnotisch hingegen wirken die beiden traditionellen Streichinstrumente, die Freddy und Su-Nun spielen. Zum Schluß ein gekonntes Gitarrensolo, und weiter geht´s mit dem Prügler “Revert To Mortal Territory” mit dramatischen Horrorsynthesizern. Fast ist man geneigt, an frühe Skyclad zu denken, wenn kurz Thrashriffs aufflackern, die von der Violine kontrastiert werden; das geschieht jedoch nur für Sekundenbruchteile. Ansonsten regiert furiose Opulenz, die sich positiv von Dimmu-Borgir abhebt, indem sie nicht so klinisch klingt und irgendwie noch mehr nach traditionellem Headbangerstoff riecht. “Grab The Soul To Hell” nimmt sich dahingehend nicht aus; diese Riffs sind derb, und die Stimme zwischen Growl und Kreisch weder affig-extrem wie Schmutz-Dani, noch gewollt erhaben wie Dimmu-Shagrath - Monsieur scheint ernsthaft wütend zu sein. Schön auch der ruhige Streicher-Zwischenpart mit weiblichem Sprechgesang, einer dezenten Assoziation zu Cradle. Man muß überhaupt sagen, daß die im Vorfeld geäußerten Plagiatsvorwürfe kaum haltbar sind, denn es handelt sich schlichtweg um denselben Stil, den sich CHTHONIC zufällig mit den beiden Platzhirschen teilen. Daß sie weder nordische Kälte versprühen, noch Klischeevampirismus vermitteln und sich dennoch authentisch anfühlen, spricht für sie. Die Lyrics behandeln zudem durchaus landestypische Angelegenheiten (Mystik und gar Kritisches geht gleichermaßen aus den Texten hervor) und sind aus dem unvergleichlich aufgemachten Drumherum der CD herauszulesen - Fotokarten, dicke Kartonage und edler Golddruck - tolle Sache!
“Decomposition Of The Mother Isle” ist ein gutes Beispiel für die Eigenständigkeit der Gruppe innerhalb des gegebenen Genres, denn der Charakter der Melodien ist ein gänzlich anderer als der im Westen übliche. CHTHONIC sind mutig genug, beinahe das ganze Lied hindurch im Schleppenden zu verharren, ohne zu langweilen. Female Vocals gibt´s erneut, jedoch keinen Hauch von Gothic-Kitsch - dafür erneut feinste Leadgitarren im kraftvoll hämmernden Schlußteil (inklusive Piano-Virtuosität). Diese Erhabenheit hat nichts mit Wagner zu tun. Klassik schreibt sich in Fernost anders, was das tänzelnde “Floated …” einmal mehr beweist. In “Indigenous Laceration” fliegen die Klampfen besonders tief, und die Keys klingen nicht schmalztriefender als gemeine Prog-Fingerübungen im besten Sinne ... geiles Solo mal wieder, und beide Geschlechter teilen sich die Vocals zu gleichen Teilen. Und da sind sie wieder im “Putrefaction”-Stück, jene zurückhaltend folkloristischen Klänge, die nicht nach Bierseligkeit klingen, sondern asiatische Versonnenheit, falls es so etwas denn gibt, wunderbar in “unseren” Metal einbringen. Das ist ein schöner Brückenschlag, der weder die Multikulturalismus-Keule nötig hat, noch die gewollte Abgedrehtheit von VisualKei vermittelt, die letztlich nur die Fast-Food- und Cartoon-Kultur des Westens auf ein extremes Level hebt.
Es handelt sich wie erwähnt hier um eine Compilation; andernfalls wäre eine zweistellige Wertung drin und diese Scheibe dringend jedem Fan des bombastischen Geballers ans kalte Herz zu legen ... das aber in jedem Fall!
FAZIT: Wiegt den Kopf mit der zweiseitigen Violine, und schüttelt ihn mit den monströsen Riffs der Gitarren sowie typischen Sechzehntel-Schraddeleien im Kimono! CHTHONIC sind erfrischend genug und gleichfalls perfekte Genrekost ... Feiner Spagat, der auch im Westen funktionieren sollte.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.02.2008
Doris
Freddy, Doris
Jesse
CJ
Dani
Freddy (2-string-violin), Su-Nun (violin)
Deathlight/SPV
62:53
2008