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Dark Suns: Grave Human Genuine

Stil: Progressive Metal

Cover: Dark Suns: Grave Human Genuine

Aus der ganzen Welt beglücken uns Progressive-Metal-Bands mit ihren ambitionierten Konzeptwerken, mit ihrer ausgefeilten Spieltechnik und letztlich mit ihrem austauschbaren Sound und den ewig gleichen Strickmustern, die ihre eigene Genrebezeichnung ad absurdum führen. Es wird komplex gefiedelt, pompös arrangiert und bedeutungsschwanger schwadroniert – nur eins bleibt beinahe immer auf der Strecke: Das Vermitteln von Emotionen. Das Vermitteln eines ganzen Emotionsspektrums: Wut, Liebe, Trauer, Freude, Hass und alles andere, was Musik erlebbar und nachvollziehbar macht. Und während die ganze Welt letztlich den glatten Hollywood-Sound der klassischen Prog-Metal-Kapellen imitiert, kommen aus dem unscheinbaren Leipzig gleich zwei Vertreter des fortschrittlichen und zugleich zeitlosen Metals: DISILLUSION und auch DARK SUNS, die mit ihren dritten Album „Grave Human Genuine“ zeigen, wie kreativ Progressive Metal gespielt werden und wie aufwühlend Musik im Allgemeinen sein kann.

Nach kurzer atmosphärischer Intro ist der Titel des Openers sogleich Programm: „Stampede“ drückt mit energischen, finsteren Riffschründen rein instrumental hinein in die Welt von DARK SUNS. Vertrackt und gar nicht dick aufgetragen, rhythmisch komplex und dunkel pflanzen sich die Gitarren fort beim meisterlichen „Flies in Amber“. Quirlige Flötenschlangen umwinden die Finsternis atmenden Riffs – das erinnert zwangsweise an DEADSOUL TRIBE zu „A Lullabye For The Devil“ Zeiten. Dann setzt Niko Knappes herzerweichender Gesang ein. Die Melodien legen sich wie Balsam über ausgefranste Abgründe von Dunkelheit, Knappes Intonation erinnert stark an Daniel Gildenlöws außerweltlichen Gesang. Andy Schmidt von DISILLUSION steuert ein paar Growls hinzu, die prächtig mit den zerbrechlichen Melodiegesängen harmonieren. Gibt es beim nächsten Mal mehr Songs dieses Kalibers, dann sitzen DARK SUNS beinahe unangefochten auf dem Olymp zugleich anspruchsvoller und emotionsgeladener Musik.

Beschwingt, beinahe schon poppig beginnt „Thornchild“ – dass solcherlei Stimmungen nicht lange Bestand haben, versteht sich von selbst. Dennoch bleibt die Eingangsmelodie erhalten und entfaltet sich weiter, wird nun aber von Metal-Gitarren gestützt. Ein toller Refrain geht schnell ins Ohr, bevor die Percussion zu schubbernden Riffs prasselt und dunkler Sprechgesang eine „Gloria“ ähnliche Stimmung vermittelt. Elektronisch experimentell zeigt sich „Amphibian Halo“. Synthetische Bässe, zischelnde Kunstklänge und warmes Piano tanzen unheilvoll. Flötenklänge leiten doomige Gitarrenarbeit ein und Knappes Gesang kommt beschwörend und drängend aus dieser fremdartigen Tonwelt herausgekrochen. „The Chameleon Defect“ zeigt, wie gut sich luftige Arrangements mit akustischen Gitarren, Black-Metal-Raserei, schamanischen „ah-ahs“ und glockenklarem Piano verstehen.

Kennt jemand die holländischen Melo-Art-Rocker NOVEMBER? Das durchweg ruhige „Free Of You“ erinnert stark an die warmtönende Herbstmusik dieses unbekannten Quartetts. Getragen von Knappes wunderbarem Gesang ist diese Nummer auch ohne größere Experimente ein Erlebnis. Das Ende beschließt „Papillon“ mit gesprochenen Passagen und dramatischer Streicherinstrumentierung, die alsbald mit volltönenden Gitarrenriffs zu einem finalen Crescendo verschmilzt.

FAZIT: Als Erkenntnis bleibt, dass DARK SUNS ein facettenreiches, im Wortsinne progressives Album geschaffen haben, das verschrobene Polyrhythmik vermengt mit beinahe avantgardistischen Soundexperimenten, heftigem Metal und hingebungsvollen Gesangsmelodien mit PAIN OF SALVATION-Schlagseite. Dass die Leipziger trotz ihres Mutes, die Pfade des Standards zu verlassen, auch noch stimmige, nachvollziehbare Songs geschrieben haben, das spricht nur für die Qualität von „Grave Human Genuine“.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.02.2008

Tracklist

  1. Stampede
  2. Flies In Amber
  3. Thornchild
  4. Rapid Eye Moment
  5. Amphibian Halo
  6. The Chameleon Defect
  7. Free Of You
  8. Papillon

Besetzung

  • Bass

    Kristoffer Gildenlöw

  • Gesang

    Nico Knappe

  • Gitarre

    Maik Knappe, Torsten Wenzel

  • Schlagzeug

    Nico Knappe

Sonstiges

  • Label

    Prophecy

  • Spieldauer

    58:04

  • Erscheinungsdatum

    22.02.2008

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