In Deutschland ein weitgehend unbeschriebenes Blatt, legt der seit 1971 professionell als Musiker tätige DARRYL ST. JOHN jetzt mit „War Of Blue“ sein neues Album vor. Und was für eins. Wer einmal Lust verspürt, richtig dreckige, rotzige Musik abseits des Metal-Sektors zu hören, der sollte seine Ohren und sein Herz „War Of Blue” leihen. St. John und seine fähige Band – u.a. Sohn Zak an den Drums – gehen unter Vermeidung saturierter Blues-Klischees beherzt zur Sache. Es braucht keine Geschwindigkeitsrekorde, um rau zu klingen; das ist der Geruch der Straße, das Gestampfe auf den durchgetretenen Bühnenböden aller verräucherter Kneipen dieser Welt. Blues ist der Nährboden, dazu eine gewaltige Riff-Ladung Led Zeppelin, eine Sängerin, die den abgenutzten Begriff „Rock-Röhre“ wieder aufmöbeln kann. Wer Alannah Myles für eine begnadete Shouterin hält, sollte vor Michelle McCarthy einen tiefen Kniefall machen. Auch, wenn ihre Stimme klarer klingt als die Janis Joplins, dichter dran am Feeling der 60er Jahre-Ikone habe ich selten jemand gehört. Aber auch bei einem Instrumentalstück wie „Town Without Pity“ macht die Band eine gute Figur. Neben der hervorragenden Gitarrenarbeit überzeugen die sparsam, aber effektiv eingesetzten Keyboards, vom fabulösen Einsatz der Blues Harp ganz zuschweigen. Das sanfte Titel- und Schlusslied ist eine tiefe Verbeugung vor der Mutter aller Luftschiffe, und hat das Zeug zum Klassiker
FAZIT: „War Of Blue” ist ein Album, das selbst Blues-Verächtern, die Spaß an ein wenig Härte finden, gefallen dürfte. Denn DARRYL ST. JOHN und seine Band haben die Melodien, das Gefühl und die Ideen eine mitreißende Party im heimischen Musikzimmer abzufeiern. Zumindest eine Dreiviertelstunde lang. Selbst das schwächere, weil etwas simple Stück „Revenge“ besitzt genügend Power, um mächtig Eindruck zu schinden. Da gibt es immer eine vorantreibende Gitarrenfigur, einen knackigen Keyboardeinsatz oder eine dieser inbrünstigen Gesangslinien, die selbst weniger eindrucksvolles Songmaterial aus dem Feuer reißen. Das ist aber sowieso in der Minderzahl. Einem ungehemmten und uneingeschränktem Vergnügen steht also nichts im Wege. Geiles Album.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.08.2008
Marc Golde
Michele McCarthy
Darryl St. John
Marc Golde
Zak St. John, Greg Theil
Gypsy Tunes
45:03
13.06.2008