Feinfühlig instrumentiert mit eigenständigem Bassspiel, Flöte und Orgel, beginnt "The Fruit Fallen". Die Stimmung variiert nicht zuletzt wegen zahlreicher rhythmischer Wechsel und durch den gesanglichen Duktus Schoens, der seinen Emotionen kontrollierten Ausgang gewährt, derweil er bei der Produktion die lange Leine gehalten hat: so ausgewogen alle Instrumente (Violine - vor allem im Solobereich hörenswert) im Gesamtbild platziert sind, so wenig möchte man trotz verzerrter Gitarren von Metal sprechen. Selbst der Rock geht EDENSONG bei aller Eingängigkeit des immer komplexen Materials ab, so dass die alte Art-Rock-Formel anwendbar wird: Mehr mit dem Kopf als dem Herzen führt Einzelkämpfer Schoen uns durch über eine Stunde ambitionierter Musik, die ob ihrer Intensität und des angewandten Vokabulars (thematisch wie hinsichtlich der angewandten musikalischen Formeln) letztlich doch Metal-Fans schmecken dürfte. Fates-Warning-Jünger etwa sollten in das gesanglich toll arrangierte "The Baptisin" reinhören, welches auch dynamisch auf einen Bombenjob hinweist, den die Protagonisten erledigt haben - wiederum die Vorteile nicht aus allen Rohren feuernder Produzenten.
Große Refrains gehen EDENSONG noch ab, doch unschlüssig ist ihre Musik in keinem Fall. Selbst die Dream-Theater-Keule kann man nicht auspacken, denn um LaBrie und Zweckgemeinschaft macht diese Gemeinde einen Bogen, falls man nicht direkt jede gefühlvolle Pianoballade wie "Nocturne" mit den New Yorkern assoziiert. Zumal erneut die Vocals hier eine besondere Stärke von EDENSONG unterstreichen. Den instrumentalen Mittelteil werden indes auch Freunde kopflastiger und weitgehend sängerloser Bands schätzen, wie es sie vor allem auf der südlichen Halbkugel in höherer Dichte gibt (vor kurzem etwa die auf Instrumentalparts fokussierten La Desdeooorden). Dass bei beträchtlicher Song-Überlänge nichts willkürlich aneinandergeklatscht wirkt, spricht ein weiteres Mal für das Kollektiv hinter diesem unprätentiösen Nicht(!)-Konzeptalbum... Da möchte bereits der Infozettel jedwede Stereotypen vom Tisch fegen - "And on the sixth day man created God", wie man im entsprechenden Song verkündet - und EDENSONG schaffen lieber ihren eigenen Kosmos aus geschmackssicher gewählten Einflüssen.
Folglich ganz anders als bei Margaret Atwood gibt das flüssige Element EDENSONG identitätsstiftende Auskunft: "Let the water show me my reflection". Wer sich nicht mehr an Payne's Gray erinnert (Schande über euch!), bekommt hier wenn nicht ein Spiegel-, so doch ein angenehm aktualisiertes Abbild der stimmungsvollen Musik der einstigen deutschen Hoffnung zwischen die Lauscher. EDENSONG sind akustisch ohne dumpfe Folklore sowie komplex, ohne "jazzig" verdrießlich zu tönen. Sie richten die Nackenhaare auf, ohne dafür übermäßig laut brüllen zu müssen und spielen ohne nazistischen Selbstbeweis virtuos. Dafür, dass "The Fruit Fallen" von einem einzigen Menschen gestemmt wurde, klingt es erstaunlich leicht wie stringent - und enthält nicht zuletzt Songs, die vielen Bands gleich welcher benachbarter Kategorie - Prog hin oder her - sehr gut stünden.
FAZIT: EDENSONG sind unter den immer häufiger aufkeimenden (mit der simultan florierenden Prog-Presse und boomenden Prog-Websites, auf denen ihr euch übrigens gerade nicht befindet, ähem...) Hypes des weiten Genrefeldes die eigentliche Hoffnung und verweisen mit "The Fruit Fallen" auf zukünftige Großtaten - zwischen frühem Neunziger-Prog-Metal, klassischem Kunstrock ohne Künstelei sowie moderner, aber nicht dem Zeitgeist verhafteter Attitüde... schlichtweg aktuell relevante Musik im besten Sinne - mit sogar hörenswertem "Hidden Track"-Anhängsel.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.11.2008
TD Towers
James Byron Schoen
James Byron Schoen
Arthur Sugden
Matt Cozin
Michael Drucker (violin), Eve Harrison, Rachel Kiel (flute)
Independent / Just For Kicks
71:15
03.10.2008