Gothic und Progressive Rock? Diese Fusion kennen wir alle, es gibt sie schon seit längerem in Gestalt von THE GATHERING. Und leider gibt es auch hier, wie bei jeder kleineren und größeren musikalischen „Bewegung“ (von Bewegung kann man hier eigentlich nicht sprechen) Epigonen wie Sand am Meer. Eine davon ist FACTORY OF DREAMS, ein Projekt von Hugo Flores (PROJECT CREATION, SONIC PULSAR), der hier mit Sängerin Jessica Letho zusammenarbeitet. Herausgekommen ist das erste Studioalbum dieser Kollaboration, „Poles“.
Was kann man also über eine Scheibe sagen, wo es an allen Ecken und Enden nach THE GATHERING und teilweise – beachtet man auch die hin und wieder aufblitzenden Metalergüsse – nach NIGHTWISH schreit? Rollen wir also die ganze Geschichte von hinten auf…
Bei „Poles“ handelt es sich laut den Infos von Herrn Flores, um ein astreines Konzeptalbum, welches „eine Metapher unseres eigenen Lebensweges“ darstellen will. Das hört sich doch schon mal sehr amibitioniert an – wäre diese Idee nicht bereits dermaßen ausgelutscht, langweilig und von zig Prog-Bands zu Tode geritten. Abgesehen davon kommt auf „Poles“ sowieso kein Konzeptcharakter auf. Die Songs tönen zwar ziemlich gleichklingend aus den Boxen, wurden aber nicht genügend aufeinander abgestimmt.
Punkt zwei: Hier hat wohl jemand etwas zu weit in die Schublade gegriffen. Was ich sagen will ist, dass „Poles“ ein Stempel aufgedrückt wurde, der kaum gerechtfertig ist: Progressive Rock. FACTORY OF DREAMS verwenden zwar elektronische Effekte und Rhythmen, wollen komplexe Songstrukturen aufbauen und ungewöhnliche Harmonien kreieren – doch all das geht mächtig in die Hose. Von Synthies wird hier fast schon inflationär Gebrauch gemacht, anstatt vertrackt und abwechslungsreich zu sein, kommen die Tracks nicht so wirklich auf den Punkt und die „ungewöhnlichen“, vielleicht auch „düsteren“ Melodien sind häufig eher banal und flutschen harmlos durch die Gehörgänge. Das ist einfach gut gemachter und - zugegebenermaßen - gut produzierter Gothic- und Wave-Rock. Wer hier tatsächlich Progniveau erkennt, soll mich umgehend kontaktieren. Vielleicht bin ich auch bereits zu eingerostet oder konservativ geworden…
Naja, ich will mal nicht so sein. Hugo Flores hat auf jeden Fall mehr drauf, man höre nur mal in seine anderen Projekte wie SONIC PULSAR rein. Wenn er es noch schaffen sollte das Goldstimmchen von Jessica Letho songdienlicher einzubauen und sich etwas mit elektronischen Spielereien zurückzunehmen, könnten wir durchaus auf ein zweites Album in THE GATHERING-Niveau rechnen.
Bis dahin sollten die beiden aber noch ihre Hausaufgaben erledigen und sich endlich zwischen Metal, Prog oder Gothic entscheiden. Denn dieses Album pendelt irgendwie unentschlossen zwischen drei Welten, nimmt von jeder etwas mit, bringt es aber nicht fertig, sie auch effektiv einzusetzen. Dabei haben Letho und Flores einfach versagt.
FAZIT: FACTORY OF DREAMS liefern mit „Poles“ ein durchschnittliches Gothic/Wave-Album mit atmosphärischen und machmal auch metallischen Elementen ab, welches zwar mit einem guten Sound und einer schönen (wie auch talentierten) Frontfrau Pluspunkte einfahren kann, dabei aber am ambitionierten Konzept scheitert. Herr Flores hat sich definitiv sein Ziel zu weit gesteckt, denn vom Progressive Rock ist dieses Album meilenweit entfernt. Fans von THE GATHERING dürfen dafür aber noch ein oder zwei Pünktchen dazurechnen. Und das, obwohl es sich hier offensichtlich um einen Epigonen zweiter Klasse handelt…
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.10.2008
Hugo Flores, Chris Brown
Jessica Letho
Hugo Flores
Hugo Flores
Hugo Flores
ProgRock Records
47:08
13.08.2008