Für Ian Gillan gibt es immer noch ein aktives Musikerleben neben DEEP PURPLE, auch wenn sein letzter selbstbetitelter Studionachweis auf den Namen "Dreamcatcher" hört und schon über zehn Jahre auf dem Buckel hat. Richtig untätig war der Brite, der trotz ein paar stimmlich schwächerer Phasen immer noch zu den Hardrocksängern mit dem größten Prestige in der Szene gehört, während der Ruhepausen seiner Hauptband aber nie. So hat er etwa vor zwei Jahren mit diversen Kollegen wie Steve Morse, Jon Lord, Ian Paice, Tony Iommi, Jeff Healey, Joe Satriani und noch einigen anderen auf dem "Gillan's Inn" diverse Songs aus seinem umfangreichen Karrierekatalog neu eingespielt. Danach war er dann auch mit in etwa diesem Programm auf Tournee und was lag da näher, als an ausgesuchter Stätte das Aufnahmegerät mitlaufen zu lassen.
Das Konzert vom 14. September 2006 im House Of Blues in Anaheim wurde also für die Ewigkeit festgehalten und in heimeliger Clubatmosphäre bietet ein Ian Gillan in tadelloser Stimmbandform (ein Schelm, der Böses dabei denkt...) mit seiner Band, bei der jedoch keiner der bekannten Namen von der Studiovariante zu finden ist, Hardrock der alten Schule mit häufig bluesigen Unterton, der wie zu erwarten weniger für Neueinsteiger geeignet ist; dafür sind viele Nummern zu speziell und zu verspielt und mit starkem Session-Flair. Als Beleg nehme man alleine schon den Einstieg mit "No Laughing In Heaven" und "Into The Fire" oder den ausschweifenden Hammond-Ausflug bei "Rivers Of Chocolate". Der Liebhaber hingegen findet dafür auf diesem Doppelalbum, das das Livefeeling bei gutem Sound authentisch rüberbringt (endlich mal wieder eine Livescheibe, auf der nicht gefühlstötend ein- und ausgeblendet wird), einiges, auch rares, wie etwa die noch nie live gespielten Purple-Songs „Wasted Sunsets“ und „Not Responsible“ vom „Perfect Strangers"-Album. Und dadurch, dass von vorgenannter `Best Of´ nur etwa die Hälfte der Songs auch den Weg auf die Bühne gefunden hat, hält man sich den erstkaufenden Fan wohl ebenfalls bei der Stange. Zur Ergänzung wurden dafür anderen Solo- und Purple-Nummern auf der Bühne neues Leben eingehaucht.
Wie gesagt, hochkarätige Gäste haben sich in Anaheim nicht eingefunden, vielleicht davon abgesehen, dass der aktuelle DEEP PURPLE-Produzent Michael Bradford bei einigen bekannten Tracks seiner Schützlinge zur Gitarre gegriffen hat. Diese finden sich vornehmlich auf Silberling Nr. 2, dem deutlich hittigeren Teil der Veranstaltung, wenn man von dem überlangen Drumsolo mal absieht. Das nie verkehrte "Knocking At Your Back Door" darf dabei zur Abwechslung zu seiner gewohnten Platzierung mal den Abschluss machen, ebenfalls prima davor, dass man mal wieder daran erinnert wird, was das noch nicht überstrapazierte "When A Blind Man Cries" für eine großartige Nummer ist, auch in dieser recht minimalistischen, erdigen Version. Da dürften so einige Gänsehaut-Wellen durchs Publikum gegangen sein. Und der Spruch `Wer "Smoke On The Water" spielt, fliegt raus´ gilt für fast jeden, aber sicher nicht für Ian Gillan; der Song gehört hier also sowieso hin. Persönlich schade finde ich eigentlich nur, dass nicht noch das im Studio zu neuen Ehren gekommene "Trashed" von Gillans Kurzauftritt bei BLACK SABBATH (bei "Born Again") berücksichtigt wurde.
FAZIT: Eine abwechslungsreiche und zum Teil auch unerwartete Mischung aus Insiderstoff und ein paar Hardrock-Klassikern. DEEP PURPLE-Fans greifen hier zu und werden sicherlich besser unterhalten, als mit der unausgegorenen letzten Veröffentlichung ihrer Lieblingsmannschaft.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.03.2008
Rodney Appleby
Ian Gillan
Michael Lee Jackson, Dean Howard
Joe Mennonna
Randy Cooke
Joe Mennonna (Saxophone)
Edel Records
102:22
29.02.2008