Es ist ein seltsames Phänomen, dass eine Sängerin wie Loreena McKennitt auch unter vielen Metallern eine gern gehörte Musikerin ist. Obwohl die Kanadierin mit harten Klängen genau gar nichts zu tun hat, gestehen immer wieder Freunde verzerrter E-Gitarren, das eine oder andere Album dieser Dame im Plattenschrank stehen zu haben. Woher das kommt? Zum einen mag es daran liegen, dass in Metaller-Kreisen eine gewisse Neigung zu mystischen und mythischen Themen vorherrscht, denen auch Loreena McKennitt verfallen ist. Folkloristische Elemente ziehen sich durch diverse Spielarten härterer Sounds: Egal, ob es sich dabei um braven Folk Rock der Marke SCHANDMAUL, um hüpfende Humppa-Orgien finnischer Trinkweltmeister oder um die kunstvollen Versuche NEGURA BUNGETs handelt, Einflüsse rumänischer Traditionsmusik in den Black Metal-Sound zu weben. Loreena McKennitts Einflüsse sind vielgestaltig, ziehen sich von Irland und Schottland quer über den Kontinent bis in die orientalischen Länder hinein. Hinzu kommt, dass diese Musikerin trotz vielfach emotionaler Thematiken mit absoluter Selbstverständlichkeit Kitsch vermeidet.
Zum Ende des Jahres erscheint nun „A Midwinter Night’s Dream“, das neben den fünf Tracks von „A Winter Garden“ acht neue Kompositionen enthält, die zu einem gewissen Anteil Weihnachtslieder sind, aber mit den textlichen und musikalischen Plattheiten, die alle Jahre wieder aus den Wohnzimmern der Nachbarschaft schallen, rein gar nichts zu tun haben. Hier wird im positiven Sinne Besinnliches geboten, das die Gedanken auf die Reise schickt. Loreena McKennitt verpasst einem traditionellen Weihnachtslied eine fremdartige, dramatische Note. Bei „God Rest Ye Merry, Gentlemen“ handelt es sich ebenfalls um ein Weihnachtslied, das mit östlichen Motiven und hypnotischer Percussion auch Atheisten Spaß machen muss. Auf „Emmanuel“ erklingt Loreenas klare Sopranstimme auf Latein, „Noël Nouvelet“ erklingt in altem Französisch. Die Arrangements sind allesamt ruhige Stücke mit elegischen Streichern und Gesängen, die wie Schiffe auf und ab über einen Ozean aus Melodien schweben. Man lausche nur dem ergreifenden „Snow“, eine herzzerreißende Ode an die Stille und den Frieden, der mit dem Schnee kommt.
FAZIT: „A Midwinter Night’s Dream“ ist keinesfalls eine überflüssige Weihnachts-Veröffentlichung. Das liegt daran, dass dieses Album ganze acht neue Tracks enthält, die wunderbar mit dem alten „A Winter Garden“-Material harmonieren und somit auch jenen eine neue Erfahrung beschert, die mit den bekannten Songs bereits vertraut sind. Nebenbei bietet dieses Album die perfekte Alternative zu blöden Schunkel-Songs, die schon bald aus den Lautsprechern der Kaufhäuser quäken werden.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.10.2008
Simon Edwards
Loreena McKennitt
Brian Hughes
Loreena McKennitt
Donald Quan, Ben Grossman, Rick Lazar
Brian Hughes (Oud), Hugh Marsh (Violine), Caroline Lavelle (Cello), Donald Quan (Bratsche), Ben Grossman (Hurdy Gurdy), Stratis Psaradellis (Lyra, Laute)
Quinlan Road
54:19
17.10.2008