Für Martin Orford ist bald Schicht im Schacht. Als Keyboarder und Gründungsmitglied der britischen Prog-Rocker IQ und Bestandteil der Neo-Progger JADIS hat der gute Mann einiges erreicht, gespielt und gesehen. „The Old Road“ stellt so etwas wie einen Abschiedsgesang dar, denn Martin Orford möchte sich aus dem Musikgeschäft zurückziehen. Der Betreiber des Labels „Giant Electric Pea“ lässt die gigantische elektrische Erbse genauso im Stich, wie seine musikalischen Ambitionen. Ein Grund hierfür ist angeblich „seine zunehmende Desillusionierung hinsichtlich Internetpiraterie und der zweifelhaften Kultur ‚freier Musik‘“. Diese Einstellung wird in dem mit wunderbaren Fotos angereicherten Booklet näher dargelegt. Der Albumtitel „The Old Road“ beschreibt den Weg, den dieser Künstler selbst geht. Das von Internet-Moden, Hektik und Globalisierung beherrschte England ist nicht seine Welt, sondern das Cricket spielen auf der Dorfwiese und die idyllischen Country Pubs, die mit Dampfmaschinen betriebenen Züge, die es immer noch auf dieser Erde zu finden gibt. Der Geist dieser Einstellung lebt in diesem zweiten Solo-Album Martin Orfords weiter, obwohl über allem eine leicht melancholische Note schwebt, das Wissen, dass die letzten Zufluchtsorte vor der Moderne im Schwinden begriffen sind.
„The Old Road“ wurde von alten Musiker-Hasen eingespielt. Da wären Gary Chandler (JADIS) und Nick D’Virgilio (SPOCK’S BEARD) zu nennen, John Wetton (KING CRIMSON, URIAH HEEP, ASIA uvm.) oder auch Steve Thorne. Dass diese Herren Routiniers sind, hört man „The Old Road“ sofort an – und das ist in diesem Fall gar nicht negativ gemeint. Diese Künstler müssen nicht mehr beweisen, dass sie die besten, schnellsten und verrücktesten an ihren Instrumenten sind. Vielmehr kanalisieren sie ihre Energie in neun Songs, die allesamt von einer starken Melodie getragen werden und spieltechnische Versiertheit quasi nebenbei aufblitzen lassen. Orford selbst nimmt Kritikern und Verfechtern des Neuartigen den Wind aus den Segeln, indem er sogleich klarstellt, dass es sich bei „The Old Road“ nicht um Progressive Rock handeln würde, sondern um ein nostalgisches Schwelgen in bereits Dagewesenem. Und er hat Recht, Progressivität im Wortsinne gibt es hier nicht, sondern ein hemmungsloses Treiben in melodischen Klanglandschaften, elegischen Gitarrensoli, mehrstimmigen Gesängen und zumeist nur dezent rockenden Passagen. Kraftlos klingt dieses Album dennoch nicht, weil einerseits Nick D’Virgilio eine energiegeladene Vorstellung am Schlagzeug abliefert und die Gesangsmelodien das Melancholische gekonnt mit dem Schmissigen verbinden. Die folkloristischen Farbtupfer, wie z.B. die Fiddle beim Titeltrack, versprühen eine Lebensfreude, die das einfache Leben vermeintlich mit sich bringt.
FAZIT: „The Old Road“ ist ein durch und durch sympathisches Album, das anspruchsvollen, warmherzigen Rock verbindet mit neoproggigen, ausladend arrangierten Melodiebögen. Die Solopassagen stellen die Höher-Schneller-Weiter-Fraktion nicht zufrieden, wohl aber den Freund der spieltechnisch anspruchsvollen Instrumental-Harmonie. Dieses Album reißt sicher keine Wunden, verschließt eben solche aber mit heilender Hand. Finde deinen Frieden, Martin!
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.10.2008
John Wetton, Dave Meros
Martin Orford, David Longdon, John Wetton, Steve Thorne, Dave Oberlé
Martin Orford, John Mitchell, Gary Chandler, Steve Thorne
Martin Orford
Nick D'Virgilio, Andy Edward
Martin Orford (Flöte), Colm Murphy (Irish Fiddle)
InsideOut / SPV
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07.11.2008