Seitdem man nun selbst in Finnland nicht mehr vor Amokläufern sicher sein kann, gerät langsam auch die metallische Musik aus dem hohen Norden immer stärker in Verruf. Einst ebneten WALTARI mit einer wilden Mixtur aus kräftigem Metal und ganz unterschiedlichen düster-verspielten oder sogar einfallsreich-überraschenden Melodic-Elementen den Weg in die brachial-phänomenale, nordisch-skandinavische Musizierkunst. Doch plötzlich scheint sich diese Musik wie ein Virus im Land der nur selten aufgehenden Sonne zu verbreiten und mit ihrem Bazillus eine Vielzahl junger Bands zu infizieren. Aber leider klingen die dann oftmals mehr nach einer Krankheit anstatt nach einer den Hörer gefangen nehmenden Infektion. Die seit 2005 existierende junge, finnische Band REVERSION ist mit ihrem Debut-Album „King Of Deceit“ ein gutes Beispiel dafür.
Gerade die Vielzahl der Klischees sind es, die das Album letzten Endes so erscheinen lassen, wie es heißt: „König der Täuschung“. Das düstere Cover, gestaltet vom Keyboarder der Band, ist kein Kunst-, sondern ein sinnloses, verstörendes Blendwerk, das nichtssagender kaum sein kann. Ist das eine zerkratze Fotoplatte oder ein Fehler beim Entwickeln in der Dunkelkammer, der einen da auf dem Booklet präsentiert wird?
Die weltuntergangsgeschwängerten Texte, die so schrecklich typisch für solche Musik sind, lassen einen langsam begreifen, warum die finnische Jugend bei diesen lapidaren Waffengesetzen immer öfter auf die Knarre statt auf ihren Verstand zurückgreift. Und REVERSION präsentieren uns mit ihren „Lyrics” dann auch gleich, wo die selbstmörderische, musikalische Reise hingeht: „My hopes and fears become in reality“, „Pain is what I feel inside“, „Death is just a beginning for new life“ (alles zu hören in „Mindstorm“), „To live is to die is to live / Immortalize me“ („Immortalized“), „Mysteries of one’s mind / Tragedies that will follow“ („Enigma”), „Hurt, to feel it’s real” („Hurt”). Eine beliebige Fortsetzung ist jederzeit möglich. Und wenn man sich dann als Band auch noch „Umkehrung” nennt – oder besser sogar nach dem Reversionspendel, der die Erdbeschleunigung misst und uns vielleicht sogar eines Tages das Untergangsszenario ankündigt, passt alles ganz toll zusammen. Dies also wäre Klischee Nummer 2.
Das Schlimmste aber ist wohl, was uns die Musik im Klischee 3 vorgaukelt. Sie beginnt nämlich im Titel 1 mit einem grunzenden Ur-Schrei und endet im letzten Titel, der mit knapp 9 Minuten die längste Laufzeit aufzuweisen hat, mit einer immer leiser werdenden, unprofessionellen Ausblendung. Typisch für dieses ständige Hin und Her von hämmernden Rhythmen, kombiniert mit eingängigen Melodien und auch mal sehr klangvollen Balladen. Das ist nicht neu, das ist auch nicht aufregend, das ist höchstens eine Idee von Wiederkäuern, wie sie die ewig grauen, ziemlich langweiligen EVERGREY schon seit langer Zeit praktizieren. Und genau das macht auch die Musik von REVERSION aus, für die sie doch tatsächlich einen eigenen Gattungsbegriff im unendlichen Schubladenuniversum kreiert haben: „Oriental Space Prog“. Mir leider erschließt sich auf keinerlei Weise, was bei „King Of Deceit“ orientalisch, progresiv- oder space-rockig sein soll. Wohl eine weitere große Täuschung.
Das Ergebnis der viermonatigen Studioarbeit, die man in dieses Album investierte, ist eine Kombination aus metallischen Klängen, wie wir sie von FATES WARNING, SAVATAGE oder DREAM THEATER kennen, und härterer, melodischer Musik der Marke QUEENSRYCHE und SURVIVOR. Mehr gibt’s eigentlich kaum zu sagen, zu schreiben oder eben zu hören. Außer dass es produktionstechnisch am Debüt der finnischen Melodic-Metal-Rockspunde nichts auszusetzen gibt, vorausgesetzt man mag (kristall-)klare Sounds statt rotziger Urwüchsigkeit. Finnische Perfektion ohne Ecken und Kanten.
FAZIT: Musik aus Finnland, das sind entweder atmosphärisch schwebende, hüglige Traumklänge, die sich zu bombastischen Klangbergen erheben oder metallisch rockende, düstere Metal-Orgien voll melodischer Geisterbahnfahrten. REVERSION gehören zur zweiten Kategorie, allerdings sollten sich die Jungs noch einmal in ihrer (Studio-)Höhle verkriechen, um mit einem höllischen Paukenschlag aufzutauchen, der nach mehr als einer „königlichen Täuschung“ klingt.
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.10.2008
Jaakko Nikko
Alesi Parviainen
Samuli Federley
Jonne Jauhiainen
Toni Paananen
Kampas Records
54:19
09.07.2008