Timo Tolkki meldet sich nach der Auflösung von STRATOVARIUS mit “New Era”, dem ersten Album seines neuen Projekts REVOLUTION RENAISSANCE, zurück. Die Songs allerdings entstanden bereits vorher, und er betont auch selbst, dass er den “Visions”-Stil wieder aufgreifen wollte. Mit diesem Album gelang dem Mastermind und seiner damaligen Band der Durchbruch, wobei ich persönlich den Vorgänger “Episode” vorziehe, wo die klassische Besetzung zum ersten Mal in Erscheinung trat. Und hier kommen wir auch gleich zum entscheidenden Punkt: Zwar orientiert sich das Songwriting durchaus an den klassischen STRATOVARIUS, allerdings spielte die damalige Besetzung wie entfesselt auf, klang unheimlich frisch und mitreißend, wogegen “New Era” deutlich entspannter und zahmer rockt. Man bekommt also schon die typischen Riffs und Melodien zu hören, aber technische Spielereien, abgefahrene Hochgeschwindigkeitsduelle der Instrumentalisten oder leicht progressive Ansätze, wie sie früher durchaus Teil des STRATOVARIUS-Sounds waren, fehlen völlig. Allerdings sollte das nicht weiter verwundern, wenn man Timo Tolkkis persönliche und musikalische Entwicklung der letzten Jahre mitverfolgt hat. Alles klingt deutlich gemäßigter, harmloser und ganz auf den Song an sich konzentriert. Intro, Strophe und Refrain, mehr braucht es nicht. Selbst sein eigenes Spiel ist deutlich reduziert, oft begnügt er sich mit durchgeschlagenen Powerchords und ein paar melodischen Leads. Nur ganz selten setzt er mal zu den typischen Malmsteen-Soli an, um dann meist gleich wieder damit aufzuhören.
Obwohl man es also eher mit Hard Rock und weniger mit Power Metal zu tun hat, gibt es die typische Bandbreite Tolkkis zu hören: Flottere Nummern (wenn auch nie so richtig schnell) mit Tralala-Refrain und HELLOWEEN-Touch, stampfende Bombast-Hymnen und kitschige Balladen. Einen Vorteil hat die gemäßigte Ausrichtung auf jeden Fall, denn neben Pasi Rantanen (THUNDERSTONE) und Tobias Sammet (EDGUY, AVANTASIA) konnte Michael Kiske als Gastsänger verpflichtet werden, der bekanntlich keine allzu heftigen Sachen mehr singen möchte. Er übernimmt dann auch die Hälfte der Tracks, Balladen und melodischeres Material, während Tobias Sammet die beiden schnellen Nummern singt, und Pasi Rantanen mit seiner Stimme irgendwo zwischen Ronnie James Dio, Jorn Lande und Bob Catley ideal zu den leicht epischen Stampfern passt.
Gerade die Beiträge Michael Kiskes wissen trotz der Trivialität des Songwritings zu begeistern. Er sorgt mit unglaublich gefühlvollem, intensivem Gesang dafür, dass relativ belanglose Rocker wie „I Did It My Way“ oder “Last Night On Earth” richtig Spass machen und das abschließende “Revolution Renaissance” trotz fehlender Abwechslung an die großen STRATOVARIUS-Epen erinnert. Zumal Michael Kiske die Texte sehr überzeugend wiedergibt, und viele Passagen nicht nur dem Komponist, sondern auch dem Sänger aus der Seele zu sprechen scheinen. Die beiden Balladen kann jedoch auch er nicht retten, trotz toller Performance. Wo Timo Tolkki früher öfters mal wunderschöne Akustikgitarren oder klassische Instrumente einsetzte, verwendet er nun Keyboardgeklimper einfachster Sorte, sowohl sound- als auch spieltechnisch.
Im Gegensatz zu Michael Kiske können die beiden anderen Vokalisten “New Era” nicht wirklich prägen. Wie auch die restlichen Gastmusiker fallen sie weder besonders positiv noch negativ auf und wirken eher wie Statisten. So hält sich z.B. das Keyboard stärker zurück, als es einem Jens Johansson wohl möglich gewesen wäre, was in einigen Fällen durchaus positive Auswirkungen hat. Aber auch alle anderen Instrumentalisten, inklusive des Gitarristen selbst, bleiben relativ blass. Damit bleibt dieses Debüt leider eine Art Zwischenfall oder das Ergebnis einer Übergangsphase: Die Kompositionen gehen teilweise in die richtige Richtung, hätten aber durchaus noch die Überarbeitung durch eine frische, motivierte Band im Proberaum gebrauchen können. Hier ein paar musikalische Schlenker, da etwas mehr Arrangements und Spielereien oder mitreißendere Performances, hätten dem Album sicher gut getan. Somit dient “New Era” lediglich als Starthilfe für die erst nach Abschluss der Aufnahmen von Timo Tolkki neu zusammengestellte Band. Ihre eigentliche Visitenkarte kann diese dann mit dem nächsten Album abgeben. Was auch der Komponist erkannt hat und bereits am Nachfolger arbeitet, der so schnell wie möglich veröffentlicht werden soll.
FAZIT: Leider ist es nicht möglich, eine Bewertung zu vergeben. Frontiers Records haben sich dafür entschieden, ihre Promo-CDs durch sogenannte ”Voice-over” brutal zu zerstückeln. Prinzipiell muss diese Methode kein Hindernis sein, andere Plattenfirmen setzen einen solchen ”Kopierschutz” deutlich eleganter um. Der Verantwortliche bei Frontiers Records muss sich jedoch entweder keinerlei Gedanken gemacht haben oder gezielt Stellen ausgesucht haben, um den Fluss der Stücke empfindlich zu unterbrechen. Wichtige Gesangs- und Musikpassagen werden komplett ausgeblendet. So lässt sich die Wirkung des Albums während eines ungestörten Hördurchgangs leider nicht abschätzen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.06.2008
Pasi Heikkilä
Michael Kiske, Pasi Rantanen, Tobias Sammet
Timo Tolkki
Joonas Puolakka
Mirka Rantanen
Frontiers Records
47:30
06.06.2008