Uli Jon Roth veröffentlicht laut Promotionabteilung das „erste richtige Rock Album seit 1983“. Nun habe ich die Karriere des ehemaligen SCORPIONS-Gitarristen und Vorreiter des neoklassischen Stils nicht genau verfolgt und kann demnach keine Vergleiche anstellen. Aber „Under A Dark Sky“ ist alles andere als ein Rock-Album. Es handelt sich eher um ein klassisches Werk mit Soundtrack-Charakter, beim dem das aus Streichern bestehende, von Uli Jon Roth gegründete „Sky Orchestra“ meist die Songführung übernimmt. Knackige Riffs oder Rhythmusgitarren gibt es dagegen so gut wie keine zu hören, erst recht nicht rockig verzerrte. Der Komponist selber spielt fast ausschließlich Leadgitarre, das allerdings auf seine ihm eigene, sehr ausdrucksstarke und gefühlvolle Weise. Sein singender Ton gleicht fast eher dem eines weiteren Streichinstruments, wodurch er zwar für eine nahtlose Symbiose sorgt, aber eben auch nicht gerade für einen zusätzlichen Rock-Faktor. Bliebe noch das Schlagzeug, welches von Michael Ehré (METALIUM) schön kraftvoll bearbeitet, aber leider im Mix ziemlich vernachlässigt wurde. Oft muss er außerdem für lange klassische Passagen komplett pausieren.
Wenn man sich also mal von der Vorstellung freigemacht hat, ein Rock-Album serviert zu bekommen, hat „Under A Dark Sky“ trotzdem einiges zu bieten. Besonders Anhänger des Gitarrenspiels von Uli Jon Roth kommen voll auf ihre Kosten, soliert der Meister doch praktisch über die komplette Spielzeit in allen Variationen. Von sehr gefühlvollen, melodischen Klängen, die spirituell und sphärisch wirken (oft hart an der Grenze zum Kitsch), bis hin zu furiosen, rasend schnellen Läufen. Letztere sorgen dann mit aggressiven Anschlägen und einer gewissen Wildheit auch noch am ehesten für ein wenig Durchschlagskraft und einen leichten Hard-Rock-Touch, wie beispielsweise im überlangen „Tanz in die Dämmerung“. Hier kommen auch viele orientalisch klingende Melodien zum Einsatz, die für eine düstere Atmosphäre sorgen, was ab und zu ein wenig an RAINBOW erinnert. Zusätzlich sollte man auch die Bassarbeit nicht vergessen, welche Uli Jon Roth vorzüglich selbst erledigt. In einigen Tracks klingt der Bass mit tollen, melodischen Läufen sogar auffälliger als die Gitarre (wenn diese nicht gerade soliert).
Verschiedene Gastsänger teilen sich die Vocals, wobei der Großteil von Mark Boals (ROYAL HUNT) und Liz Vandall (ex-SAHARA) übernommen wird. Zusätzlich gibt es dem klassischen Umfeld entsprechend immer wieder Chöre und Operngesang zu hören (u.a. von Tenor Peter Ewald). Insgesamt ist „Under A Dark Sky“ somit am ehesten mit diversen, klassisch geprägten Rockopern zu vergleichen, wenn überhaupt mit Veröffentlichungen aus dem härteren Bereich. Man stelle sich z.B. ein AYREON-Album vor, allerdings ohne fette Rhythmusgitarren und Drums, stattdessen mit erhöhtem Klassik- und Kitsch-Anteil. Letzterer wird leider nicht nur durch die oftmals fast zu schöne Melodieführung verursacht, sondern zusätzlich durch die Lyrics verstärkt. Die idealistischen Texte, die eine Abkehr der Menschheit von ihrem selbstzerstörerischen Weg beschwören, mögen durchaus die richtigen Themen ansprechen, werden aber einfach ein wenig zu plakativ und mit erhobenem Zeigefinger vorgetragen. Einige Passagen klingen gar unfreiwillig komisch, wie etwa „worship of hell is satanic“... Aha... Vielleicht brauchte man aber auch nur ein passendes Wort für den anschließenden Reim „we’re living inside the titanic“...
FAZIT: Liebhaber des außergewöhnlichen Gitarrenspiels von Uli Jon Roth kommen mit „Under A Dark Sky“ auf ihre Kosten. Ansonsten ist das Album aber weniger für Hard-Rock-Fans, sondern eher noch für Anhänger klassischer Klänge oder Soundtracks zu empfehlen. Die typische Rockoper sollte man aber nicht erwarten, in jedem Fall ist Probehören unerlässlich.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.09.2008
Uli Jon Roth
Mark Boals, Liz Vandall, Peter Ewald, Uli Jon Roth
Uli Jon Roth
Uli Jon Roth
Michael Ehré
Sky Orchestra, Sky Choir
SPV
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19.09.2008