Um die Spannung gleich vorweg zu nehmen: Das erste Soloalbum von Warrel Dane ist eine Offenbarung. Glaubte man bisher vielleicht, in erster Linie Fan von SANCTUARY und NEVERMORE zu sein, wird mit “Praises To The War Machine” klar, wie viel der Sänger zu der Einzigartigkeit seiner Bands beiträgt. Sicher war das kein Geheimnis, aber so deutlich wurde es dem Hörer noch nie vorgeführt. Wenn sich seine Stimme erst in der Musik wiegt, um sich dann wie auf Schwingen über diese zu erheben, ist das einfach unvergleichlich (man möge mir diesen Satz verzeihen, aber genau so klingt es!). So kann nur Warrel Dane singen, und nur er schreibt diese Melodiebögen. Und dabei ist es, wie sich nun herausstellt, völlig unerheblich, ob sein langjähriger Songwriting-Partner Jeff Loomis, der immerhin bei NEVERMORE für die gesamte Musik zuständig ist, mit von der Partie ist oder nicht. Im Gegenteil: So genial dessen Riffmassaker und Frickelorgien auch sein mögen, und obwohl dieses Soloalbum auch rein musikalisch NEVERMORE-Fans gefallen dürfte, Warrel Dane kommt hier noch besser zur Geltung. Der ehemalige SOILWORK-Gitarrist Peter Wichers lässt dem Ausnahmesänger genau den Raum, den man ihm auch manchmal bei seiner Stammband wünschen würde (und der zuletzt auf “Dead Heart In A Dead World” in größerem Umfang gewährt wurde).
Das Album beginnt noch recht erwartungsgemäß und damit vielleicht ein wenig unspektakulär, wenn auch schon hochklassig. Peter Wichers liefert moderne, groovige Metalriffs und einen fetten, druckvollen Sound, der aber zum Glück nicht so steril, kalt und komprimiert klingt wie viele ähnlich zeitgemäße Produktionen. Stattdessen bleibt immer genug Luft und Wärme, und es wird bereits deutlich, wie stark Warrel Dane den Stücken mit unverwechselbaren Melodien und tollen Harmonien seinen Stempel aufdrückt.
Mit “Lucretia My Reflection” offenbart sich der erste Überflieger, die Coverversion der SISTERS OF MERCY mutiert zum Metal-Hit, so dass man sich den Track ohne Gitarrenriffs gar nicht mehr vorstellen kann. Danach geht es Schlag auf Schlag, unheimlich vielseitig und schlicht großartig klingen die folgenden Songs: “Let You Down” ist ein Melancholie-Hammer mit eingängigem Refrain, das verzweifelt und düster klingende “August” verursacht Gänsehaut, und “Your Chosen Misery” verwandelt sich nach wunderschönem, verhaltenem Beginn mit Akustikgitarren und einschmeichelndem Gesang in eine ergreifende Bombasthymne.
Der Quasi-Titeltrack „The Day The Rats Went To War“ klingt dann wieder heftiger, auch hier wird jedoch die Vorliebe des Sängers für große Hooks deutlich. Ansonsten kommt man hier seiner Hauptband etwas näher. Es folgt mit „Brother“ der wohl persönlichste Song, den Warrel je geschrieben hat. Die heftige Halb-/Bombastballade scheint fast ein vertonter Brief zu sein, so direkt drückt sich der ansonsten nie um Metaphern verlegene Sänger aus.
Die zweite Coverversion, „Patterns“ von SIMON & GARFUNKEL, fällt gar nicht als solche auf, vom Original dürfte also außer dem Text nicht viel übrig geblieben sein. Auch hier wissen die typischen, hymnischen Gesangsmelodien und mitreißenden Gitarrenriffs zu gefallen, allerdings klingt der Song etwas weniger aufregend als die eigenen Kompositionen. Da kann das folgende, sehr emotionale „This Old Man“ mit dem Wechsel aus ruhigen Strophen und tollen, treibenden Leadriffs doch mehr begeistern.
Zum Abschluss gibt es mit „Equilibrium“ einen härteren und schnelleren Track, der mit seinen Thrash-Einflüssen problemlos als Highlight auf jedem NEVERMORE-Album hätte stehen können. Auf „Praises To The War Machine“ verblasst er zwar etwas gegen die melodischeren Stücke, bildet aber ein schönes Finale. Noch besser klingt jedoch die limitierte Edition des Albums aus, die mit „Everything Is Fading“ einen Bonustrack enthält. Dieser tendiert in eine ähnlich heftige Richtung, hat aber einen griffigeren Refrain zu bieten und mausert sich nach einigen Durchgängen zum heimlichen Hit. Auf jeden Fall zu dieser Version des Albums greifen!
Man sollte nicht dem Irrtum erliegen, Warrel Danes Soloalbum würde weniger Tiefgang bieten, weil man sich den Zugang nicht so schwer erarbeiten muss wie teilweise bei seiner Stammband. Die Songs sind trotz aller Eingängigkeit und Fokus auf dem Gesang gespickt mit Details, interessanten Wendungen und kleinen technischen Spielereien. Abgesehen davon sorgt Warrel Dane alleine mit seinem eindringlichen, emotionalen Gesang und den unter die Haut gehenden Texten für die nötige Tiefe. Alles klingt noch eine ganze Ecke persönlicher und intensiver, als man es ohnehin von ihm gewohnt ist.
FAZIT: Ein großartiges Solodebüt! Für mich persönlich bietet „Praises To The War Machine“ alles, was ich mir von Warrel Dane erhofft habe und wird mit Sicherheit in kürzester Zeit neben „Dead Heart In A Dead World“ zu meinem meistgehörten „Nevermore-Album“ werden. In dieser Form darf sich der Sänger gerne regelmäßig auf Solopfade begeben.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.05.2008
Peter Wichers, Matt Wicklund
Warrel Dane
Peter Wichers, Matt Wicklund
Dirk Verbeuren
Century Media
49:57
25.04.2008