Zurück

Reviews

5bridgeS: The Thomas Tracks

Stil: GENESIS-Abziehbild-Prog

Cover: 5bridgeS: The Thomas Tracks

Nicht nur guter Käse kommt aus Holland. Auch gute Musik. Eine Weisheit, die sich wohl besonders unter den Anhängern progressiver Rockmusik bereits herumgesprochen hat.

Unsere holländischen Musikfreunde, die wir, im völligen Gegensatz zu ihren Fußballfans, zu lieben gelernt haben, bauen immer wieder musikalische Brücken nach „GOoD old GERmany“, da wohl gerade in unseren Gefilden progressive Musik noch halbwegs gut ankommt. Kein Wunder, denn wo eine aufgeblähte bürokratische Ordnung fortschrittliche Ideen oftmals schon im Keim erstickt, sehnt man sich eben nach einem progressiven Ventil, um Dampf abzulassen. Was wäre dafür nicht besser geeignet als Musik? Und im Falle von 5BRIDGES auch noch die Literatur. Doch nicht nur das: es sind sogar gleich fünf Brücken, die uns erreichen sollen. Manchmal aber sind solche Brückenschläge auch des Guten zuviel.

Doch rollen wir das Pferd nicht von hinten auf und galoppieren lieber gleich auf die
• erste Brücke: der Name 5BRIDGES hat seinen Ursprung in einem Titel von KEITH EMERSON & THE NICE – 5 Bridges Suite. Schon nach dem ersten Hören machte sich bei mir ein wenig Verwunderung breit, denn die Grundlage von „The Thomas Tracks“ ist nicht bei ELP oder THE NICE zu finden, sondern fast ausschließlich bei den frühen GENESIS der GABRIEL-Ära.

Dieser Brückenschlag ist also stark geklont und nichts Neues, wobei …
Gleiches gilt auch für die
• zweite Brücke: „The Thomas Tracks“ basieren auf einer Novelle des 5BRIDGES-Schlagzeugers ROB VAN DER LINDEN. In dieser geht es, ihr werdet es kaum glauben, um Thomas, einen Außenseiter, ähnlich, wie wir ihn bereits als RAEL in „The Lamb Lies Down On Broadway“ kennengelernt haben.

Auch hierfür gilt: nichts Neues und seit „Not As Good As The Book“, der durch TANGENT vertonten Novelle von ANDY TILLISON, nicht weiter bemerkenswert, gerade weil Thomas in keiner Weise dem literarischen John-Lennon-Typen von Tillison und der Musik von Tangent standzuhalten vermag. Darum schnellen Schrittes zur
• dritten Brücke: eigentlich eine immer wieder sichere Brücke für jeden progressiven Musikliebhaber, denn sie heißt „Longtracks“ und beginnt bei einer Laufzeit von etwa 10 Minuten. Mit „The Spell Of Eternity“, „Batavian Revolt“ und „Amazons & Haven“ sind hier gleich drei Titel vertreten, die wiederum in typischer GENESIS-Manier erklingen und souverän, konsequent, aber keinesfalls einfallsreich klingend, bis zum alt bekannten Ende durchgezogen werden.

Wiederum nichts Neues also aus dem Hause holländischen Progressiv-Rocks und irgendwie haben bis hierhin die Holländer von KNIGHT AREA auch überhaupt nichts anders gemacht als ihre landsmännischen Brückenbauer. Das gilt aber nicht mehr ab der

• vierten Brücke: die ist in einem erschreckend mutig-modernen Stil konzipiert, aber nur winzigklein und heißt „Techno“! Es ist wirklich fast unglaublich, aber nach vier Minuten tauchen eindeutige Techno-Klänge beim ersten Album-Titel „Didymus“ auf, die dann den Holländern wohl selbst ziemlich peinlich und abwegig erscheinen. Dieser kurze Ausflug in eine der ekelhaftesten, sterilen Erscheinungsformen der Musik-Moderne wird bereits zwei Minuten später beendet und zum Glück nie wieder auf den „Thomas Tracks“ gesichtet bzw. gehört.

So klein diese Brücke auch erscheint, sie passt einfach nicht in das Gefüge der altehrwürdigen anderen Gebilde – und ich glaube, kaum einer wird den Weg darüber freiwillig wählen, da gefällt die nächste, nunmehr

• letzte Brücke schon etwas besser: die (Eigen-)Produktion der „Thomas Tracks“ ist, wie es auch beim wiederholten Hören erscheint, mit viel Liebe zum Detail und dem Hang zu den 70er-Jahre-Produktionstechniken über eine Laufzeit von 75 Minuten ausgetüftelt und umgesetzt worden. Man fühlt sich an die guten alten Vinyl-Zeiten erinnert, die es zwar noch immer gibt, die aber nie wieder die Bedeutung gewinnen werden, die man sich als ein Musik-Junkie wünscht, der seiner Musik-Drogen-Abhängigkeit in den 70er Jahren verfallen ist.

Egal jedoch, welche Brücke man auch wählt, alle führen zum gleichen Ziel, ohne dessen Originalität zu erreichen, denn es heißt (aus)schließlich GENESIS!

FAZIT: „The Thomas Tracks“ ist ein Album, das garantiert nicht in die Annalen unvergesslicher Prog-Scheiben eingehen wird. Dafür spaltete es die Gemüter und wirft die ewig gleiche Diskussion über das Klonen der alten Helden auf. Diesmal mussten (wie schon so oft) GENESIS dafür herhalten. Wer sowas oder alles, was wie besagte Band klingt, mag, der wird kurzzeitig Freude an diesem Album finden. Wahrscheinlich wird die aber nicht lange dauern, denn letzten Endes greift man eben doch lieber auf die Originale zurück.

Erhältlich bei www.justforkicks.de

Punkte: 6/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.06.2009

Tracklist

  1. Didymus
  2. Babylonian Curse Reversed
  3. On Calpe’s Rock
  4. The Spell Of Eternity
  5. Martialis’ Reveries
  6. Tricks & Treason
  7. Lovernius’ Song
  8. Batavian Revolt
  9. Amazons & Haven
  10. Sign On The Wall

Besetzung

  • Bass

    Martin Thoolen

  • Gesang

    Piet Roelofsen, Martin Thoolen

  • Gitarre

    Enzo Gallo

  • Keys

    Luke d’Araceno

  • Schlagzeug

    Rob van der Linden

Sonstiges

  • Label

    Just For Kicks

  • Spieldauer

    74:23

  • Erscheinungsdatum

    01.06.2009

© Musikreviews.de