Das ist doch mal Promotion der etwas anderen Art: Während ich als Musikreviews-Schreiberling für gewöhnlich mit Rezensionsmustern über zwei Ecken versorgt werde (über Kollege Nils nämlich, der das Material wiederum von den Labels bezieht), lief das Ganze im Fall der australischen Alternative Rocker A SOUND MIND etwas... nun ja... ungewöhnlicher. Da kommt meine Schwester aus dem Stuttgart-Urlaub bei ihrem Freund zurück und klatscht mir eine CD auf den Tisch. Da sei eine Band aus Australien durch die Stuttgarter Innenstadt gelaufen und habe ihr neues Album per Mundpropaganda vertickt. Der Drummer, der meine Schwester überredete, ein Exemplar von “Harmonia” zu beziehen, versicherte, dass der Rest der Truppe auch noch irgendwo herumschlendere und das Gleiche mache.
So landet ebenjene Scheibe nun per Zufall auf meinem Schreibtisch und möchte besprochen werden. Sachen gibt’s... um dem Wunsch nachzukommen, beginne ich gleich mit folgender Feststellung: Boah, was ein Pathos!
Beim Blick auf das Coverartwork, die Orchesterunterstützung und die Herkunft von A SOUND MIND ist ein Quervergleich schnell gezogen: zu SILVERCHAIR, Australien-Export Nr. 1. Die gleichen Regenbogenfarben, dieselbe Gigantomanie beherbergten anno dazumal “Diorama”, SILVERCHAIR-Album Nr. 4, mit dem Daniel Johns alles bisher Dagewesene toppen wollte (und in Wirklichkeit alles bisher Dagewesene unterbot, das aber nur am Rande). A SOUND MIND wollen ebenfalls hoch hinaus, im gleichen großen Stil viel auf einmal. Das Wort “Stereo” muss in Gegenwart der Platte als Beleidigung gelten.
Doch DIESEN Australiern gelingt es irgendwie, in dem Übermut wie VAST zu klingen, und das lenkt die Scheibe weg vom Abgrund des Größenwahnsinns, wie er bei dem Anliegen, ein ganzes Feld von Fäden harmonisch zu einer gelenken Bewegung zu steuern, nur allzu schnell auftauchen kann.
Viel Kleingehacktes verteilt sich auf 13 Songs mit nur einmal mehr als 6 Minuten Länge. Ein Intro inklusive, dessen Snaredrums aus der Konserve ein neues LINKIN PARK-Album vermuten lassen. Dann eine Melodie nach der anderen, je eine pro Song. Exakt, Melodien, daraus besteht “Harmonia” in seiner steten Gleichmäßigkeit, wunderschöne Melodien, die in bester Jon Crosby-Manier zu kleinen Epen mit Inbrunst verwoben werden. Das Orchester-Pathos verschluckt die Alternative Rock-Strukturen und zieht sie sich als Frack an. Das Ergebnis ist in der Tat Harmonie pur. Kuschelweiche, weltvereinende Konsensbärchenharmonie.
Die Schichten lässt die Platte trotz sofortiger Eingängigkeit aber nicht vermissen. Je öfter “Harmonia” rotiert, desto mehr von ihnen blättern ab und geben jeweils neue Perspektiven auf die Blüten preis. Dabei sind die Songs stolzer bestückt, je früher sie in der Tracklist positioniert sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies leider folgendes: Das Album wird mit jedem Song gewöhnlicher.
“Empathy”, “The Power To Dream” und “Grace” hauen noch Hymnen heraus, die für große Stadien bestimmt sind. Den VAST-Anleihen folgen jene von HURT, eine Kombination, die für permanente Gänsepelle auf dem Rücken und einen bittersüßen Geschmack auf der Zunge sorgt. Und wenn dann auch noch Synthesizer à la BLACKFIELD auf Midtempo hochgezüchtet werden, ist die Melancholie vollkommen, zumal Sänger Anthony mit seinem Engelsorgan klingt wie ein zur Reife gekommener HANSON (wir erinnern uns schemenhaft an “Mmmbop”).
Schleichend wird dann dem erschöpften Einfallsreichtum Tribut gezollt. Schon ab “Fall For You” sinkt die Qualität merklich, ohne allerdings je in die rote Zone zu fallen. “Venus & Mars” kriegt noch mal die Kurve und die Halbballade “So Thankful” beweist in den Strophen 10YEARS-Qualitäten. Das abschließende Doppel aus einem Rocksong (“The Horizon”) und einer Pianoballade (“Always & Forever”) riecht allerdings streng nach kommerziellem Ausverkauf, lange bevor irgendwas an dieser Band hätte kommerziell geworden sein können.
FAZIT: Mit echten Baumstämmen von Songs voranpreschend, die vor einer Band wie VAST kaum einen Vergleich scheuen müssen, verrennt das episch arrangierte “Harmonia” sich zunehmend in die Sackgasse handwerklich solider, aber uninspirierter Poprock-Songs, denen das Haltbare der ersten Stücke abgeht. Richtig schlecht wird die Scheibe allerdings nie. Damit wäre bewiesen: A SOUND MIND sind zu großen Taten in der Lage, haben aber noch zu lernen, wie man ein komplettes Album mit Weitblick aufzieht.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.07.2009
Andrew Bishop
Anthony Kupinic
Glenn Parkinson
Anthony Kupinic
Kiran Khan
Word of Mouth Music
52:12
21.06.2009