Fünf Jahre sind seit dem nunmehr letzten Auftritt von BAP beim Rockpalast vergangen. Zwei BAPtisten (SHERYL HACKETT & JENS STREIFLING) verließen während dieser Zeit das Schiff und warfen das Handtuch und ein paar Fragen auf. Insgesamt ist dies also der siebte RP-Streich – ein wortwörtlich „wahnsinniges“ Ergebnis oder vielleicht doch nur ein weiterer traditionsreicher Gig einer zur Rockpalast-Haus-und-Hof-Kapelle verkommenen Band. Verdammte Scheiße, aber aus meiner Sicht trifft die zweite Feststellung mehr als die erste zu!
Bereits die Ankündigung einer „Wahnsinn - Greatest Hits“-Tour macht stutzig. Vor allem dann, wenn die meisten Musiker, die auf der Bühne die größten Hits darbieten, nie bei deren Entstehung oder ersten Präsentation dabei waren. Eine Band covert sich demnach mit fremden Begleitmusikern selbst und geht nur darum nicht als Cover-Band durch, weil deren Kopf der einzige nicht ausgetauschte Musikus ist.
Zwar gibt es keinen Zweifel daran, dass WOLFGANG NIEDECKEN und seine austauschbaren Mannen eine riesige Arena, wie hier zu sehen (sogar gleich zweimal hintereinander), füllen können. Nur sagt das bei Weitem nichts über die Qualität eines Konzertes aus, so sehr auch Fan-Euphorie und ewig langes, mal andächtiges, mal leidenschaftliches Mitsingen dieses „Das-war-ein-toller-Konzertabend“-Gefühl zu vermitteln scheinen.
„Rockpalast Kölnarena“ ist die schonungslose Entzauberung einer musikalischen Köln-Legende, der irgendwann ihr dauerhafter Erfolg so sehr zu Kopf gestiegen ist, dass sie der ganzen Republik zeigen müssen, wie bekannt sie doch sind – wie viele andere Musiker sie beeinflusst und beglückt haben, die dann auch mal vor vollem Haus bei ihnen mitmischen dürfen. BAP (Oder vielleicht doch nur NIEDECKEN?) zeigen der Allgemeinheit, die es sehen und (vielleicht gar nicht) hören will, dass sie so etwa allen Trends gegenüber aufgeschlossen sind, sogar dem Hip Hop, der doch gerade so angesagt ist – oder dem düsteren Rock mit Selbstmordattitüde. Ach ja, wie schön ist doch dieses DIE HAPPY-Gefühl?! Tödlich klingt mitunter auch NIEDECKENs Stimme, die neben krächzenden Tönen, unerträglichen „Ich-will-wie-Dylan-klingen“-Ausflügen bei „Hurricane“ oder totalen Patzern so etwa alles zu bieten hat, was einem Musiklehrer die Zehennägel hochrollen würde. In solchen Momenten hilft es auch nicht, wenn sich BAP ab „Hurricane“ eine geigende Schönheit mit etwas unförmigen Beinen auf die Bühne holt, die ihre musikalische Sache wahrhaft meistert. Nur das Singen hätte auch sie sich verkneifen können. Letzten Endes jedoch ist ANNE DE WOLFF einer der rar gesäten Lichtblicke des Konzerts der gesammelten (BA)Peinlichkeiten, bei denen sich die unterschiedlichsten musikalischen Künstler die Klinke in die Hand geben, um mit dem guten Wolfgang um die Wette zu trällern, so wie beispielsweise HENNING WEHLAND von H-BLOCKX, der bereits in den Startlöchern steht, um in dem Duett „Rövver noh Tanger“ zu beweisen, wie zwei schlecht und unabgestimmt klingende Stimmen trotz offensichtlicher Schieflage von einem euphorisierten Publikum bejubelt werden können. Mit den anderen Gästen verhält es sich nicht anders …
„Schuster, bleib bei deinen Leisten“ sollte man da rufen, doch es wird gejubelt und gefeiert. Am Ende aber ist das, was hier geboten wird, nichts Anderes als der BAPsche Leichenschmaus. Inszeniert von der Band selbst, die spätestens nach der Hip-Hop-Variante von „Time Is Cash, Time Is Money“ gemeinsam mit den Berliner Hip-Hoppern CULCHA CANDELA endgültig abkratzen!
Da verwundert es dann auch nicht mehr, dass NIEDECKEN sogar als gestandener, blind bejubelter Intellektueller so richtig geschmacklose Ansagen vom Stapel lassen darf. Kleines Beispiel: „Endlich hat BAP die meisten Rockpalastauftritte und auf Platz zwei liegt RORY GALLAGHER, der den Nachteil hat, nicht mehr aufholen zu können, weil er nicht mehr lebt!“ – Ha! Ha! Ha! Und helau! Alles „Wahnsinn“ eben – und „Time Is Cash, Time Is Money“! Vielleicht treten die Jungs ja demnächst gemeinsam mit HÖHNER auf, die sollen zu Karneval sogar noch erfolgreicher als ihre Kölner Musikerkollegen sein. Die Köln-Arena wartet nur auf euch. Ich sehe schon, wie sich schunkelnde Höhner-Fans und gröhlende BAP-Fans in den Armen liegen und Verbrüderung feiern. Na ganz so ernst waren sie wohl doch nicht gemeint, „Papas“ Antikarnevalsliedchen. Außerdem könnten die kölschen Jungs sich dann gleich wieder mit JENS STREIFLING verbrüdern und verBAPpen.
Irgendwie passt solches Gequatsche und dieser ganze „Helden“-Habitus zur Qualität des gesamten Konzerts, das dann durch eine organisierte Mitsingkacke, in der NIEDECKEN mal die Jungs, mal die Mädels zum Tralala auffordert, abgeschlossen wird – das ist kein Schwanen-, sondern ein Abgesang!
Niedecken sieht zwischenzeitlich nicht nur so wie Bob Dylan aus, er benimmt sich auch so! Der eine wurde zum Arsch, weil ihm seine Fans bei den Auftritten nur noch am Arsch vorbeigingen (DYLAN), der andere wird zum Arsch, weil er allen Altersklassen, die vor seiner Bühne stehen, in den Arsch zu kriechen versucht und dabei (hoffentlich unfreiwillig) Arschtritte an die Alteingesessenen verteilt (NIEDECKEN). Arschtreter zumindest sind beide!
FAZIT: Liebe Freunde des Hip Hops, des Raps, von DIE HAPPY und den FANTASTISCHEn VIERn, endlich dürft auch ihr eure Begeisterung für BAP zum Ausdruck bringen und diese DVD kaufen. Ich zumindest verabschiede mich da besser und überlasse euch das Feld der sowieso völlig überfüllten Kölnarena – Kölle alaaf, jetzt hat sicher auch STREIFLING bald wieder seine Chance! Fröhliches Sterben wünscht ein lebenslustiger, aber trotzdem den Karneval verabscheuender Kritiker!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.09.2009
Werner Kopal
Wolfgang Niedecken, Helmut Krumminga, Michael Nass
Wolfgang Niedecken, Helmut Krumminga
Michael Nass
Jürgen Zöller
Wolfgang Niedecken (Mundharmonika), Anne de Wolff (Viola und Gesang), Henning Wehland, Renate Otta, Martha Jandová, Thomas D, Culcha Candela (Gesang)
EMI Music
215:00
01.05.2009