Farben alleine sagen schon viel über den Kosmos, den sie thematisieren. Himmelweitsfern ragt das Türkisblau des neuen Albums der Singer / Songwriterin CLAIRE VEZINA über das Coverartwork und verleiht dem epischen Titel “Cyber Neptune” seinen eigenen Flow.
Die zwölf französischsprachigen Songs umfassen gemeinsam ein artifizielles Spektrum vom Makro- ins Mikrouniverselle, dessen Bestandteile von der Kanadierin alleinverantwortlich auserwählt wurden. Dementsprechend unterschiedlich fallen die einzelnen Gesichter aus: jeder Song bildet eine eigene Etage.
Schon der Opener “Cyber Neptune” lässt erahnen, dass fortan Einflüsse aus dem New Art Rock in die verträumten Stücke einfließen werden. Gemeinsam mit dem Closer “Cyber Neptune II” bildet er eine Zange, die sich mit ihren sphärischen Sounds, dem rockigen Zusatz und dem sirenenhaften Refrain nicht nur musikalisch vom Rest des Albums abhebt, sondern auch inhaltlich: “du fond des mers - aux confins de l’univers - la vie s’accroche - se cherche, se pred”.
Zwischen diesen beiden universellen Polen taucht man ab in mitunter konkretere Gefilde. Das schlägt sich einerseits in den auserwählten Geschichten und Erzählstilen nieder, andererseits macht es sich in den Songstrukturen bemerkbar, die zur Mitte hin immer konventioneller werden. Schon mit “Il pleut sur la ville” ist die erste Vollblutballade erreicht.
Da Überraschungen in dieser Phase ausbleiben, erwischt man sich schnell bei dem Wunsch, dass endlich mal mit einer Leitlinie gebrochen wird oder man sich anderweitig überrumpelt sieht von einer frischen Idee. Es ist lobenswert, dass die E-Gitarre immer mal wieder als pulsierendes Element in den Aufbau integriert wird, aber auch hier hätte man sich schlussendlich noch mehr Mut gewünscht. In Songs wie “Jeanne” dient sie zum Beispiel bloß der Untermalung des Rhythmus. Die Rhythmik des Albums ändert sich zwar mit jedem neuen Song, auf Brüche innerhalb eines einzelnen Songs wartet man jedoch meist vergebens.
Hoffnungen liegen eher in der markanten, höchst angenehmen, irgendwie geerdeten und doch starken Stimme Vezinas sowie der traumartigen Atmosphäre, die in vielen Stücken (“Dans ton monde cyber”) erzeugt wird, nicht zuletzt durch den Gebrauch sinnruhestiftender Instrumente wie dem Mellotron (“11h52", “De l’Ouest... une brise souffle”). Auf dieser Ebene lässt sich die Konventionalität mancher Songs wirksam verschleiern.
Das von Percussion jedweder Art befreite Pianostück “Les soldats” lässt dann hoffen auf ein wiedererstarktes letztes Albumviertel. “De l’Ouest... une brise souffle” bezaubert mit leicht verschrobenen, ans Orientalische mahnenden Kompositionen und bestärkt die Hoffnung, die lediglich durch das uninspirierte “Tant de guerres” nochmals gedämpft wird, bevor der Kreis mit “Cyber Neptune II” wieder geschlossen wird.
FAZIT: CLAIRE VEZINA liefert mit “Cyber Neptune” ein facettenreiches, verträumtes Album, dem die New Art Rock-Einflüsse hervorragend zu Gesicht stehen, die es aber noch lange nicht mit genügend Mut ausschöpft. Trotz einiger Highlights bleibt noch zu viel Überraschungsfreies übrig, was sich im konventionellen Aufbau diverser Titel niederschlägt. Über allem steht jedoch die charakteristische und sehr leicht anzunehmende Stimme der Sängerin sowie die gelungene Grundatmosphäre. In tiefgründiges Türkisblau getaucht erlangt schließlich noch das dunkelste Schwarz eine eigene Schönheit.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2009
Serge Poulin, Jeff Grenier, Marc-André Dubé
Claire Vezina
Richard Soucy, Claire Vezina, Serge Poulin, Christian Poirier, Éric Savard
Claire Vezina, Serge Poulin
Serge Poulin
Claire Vezina (Rhodes Piano, Piano, Orgel, Wurlitzer, Mellotron, Strings), David Jacques (Saz)
Unicorn Digital
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10.02.2009