“[...] Und doch erweckt “Valuna Twilight Café” die Neugier darauf, wie die Welt außerhalb der dunklen Bar wohl aussehen mag und mit welchen musikalischen Mitteln Fischer dieses zweite Kapitel wohl schreiben wird.”
So endete die Kritik zum ersten Kapitel des Experimental-Projekts END TIME CHANNEL, das im dystopischen Gewand eine Science Fiction-Story um die Zerstörung und Unterjochung der Menschheit erzählt. Nun wird das Buch wieder aufgeschlagen. Das zweite Kapitel hört auf den Namen “Starship neilA” und bezeichnet ein Raumschiff, jenes Refugium, an dem es sich in den folgenden 38 Minuten festzuhalten gilt. Denn das Instrumentalalbum suggeriert mit seiner tiefen Ruhe, dass es da draußen jenseits der Bar nichts weiter gibt als tiefe Schwärze. Die “neilA” wird darin zum Synonym für Hoffnung.
Wir verlassen die düstere, verqualmte Bar Lounge und werden direkt vor der Tür mit einem Sog in eine andere Welt katapultiert. Ein Countdown empfängt uns: “From Ten To Zero”. Ein riesiger Platz, das intergalaktische Schiff parkt direkt vor der Pforte und wird hochgefahren. Elektrische Ladung in der Luft, der Platz ist leer, abgesehen von einigen herumfliegenden Blättern vergilbten Altpapiers.
Herrschte auf “Valuna Twilight Café” noch verruchter Jazz, sind nun sanfte Psychedelic- und Space Rock-Elementarien zu vernehmen, die in erster Linie Isolation ausdrücken. Es ist die Ruhe vor dem Sturm, die “Starship neilA” umgarnt. Den Experimentalismus hat das zweite Kapitel mit dem ersten gemein, jedoch sind die Kompositionen diesmal zwingender, erreichen in Höhepunkten die Qualitäten der PORCUPINE TREE-Werke “Up The Downstair” und “The Sky Moves Sideways”.
Über die Tracklist muss man sich die Inhalte erschließen. Laut Udo Fischer behandelt “Starship neilA” den Aufbruch des gleichnamigen Schiffes ins Unbekannte und den ersten Kontakt mit jener Macht, die einen Krieg verursachen wird.
“neilA” besitzt - verglichen mit berühmten Hollywood-Schiffen - einerseits die Charakteristika der “Enterprise”, einer zuverlässigen Stütze im Kampf nämlich, andererseits aber auch die Eigenschaften der “Event Horizon” - eines Schiffes, das in eine unbekannte Dimension gestürzt ist und von dort Unaussprechliches mitgebracht hat. Songtitel wie “Wake Up”, “Psychotonic Substance” oder “Inside My Head” lassen eine halbpsychologische Aufarbeitung vermuten und bringen unterschwelliges Horror-Flair in das Album.
Fischer, der diesmal auf der Besetzungsliste zum Einzelkämpfer avanciert, spielt sehr viel mit Stimmungswechseln. Atmosphärische Gimmicks wie Dampfgeräusche oder technische Soundscapes (Laserstrahlen, Maschinenbewegungen) untermalen in unaufdringlicher Art Keyboardteppiche und einzelne Pianonoten, die sich mit plötzlichen Gitarren- und Schlagzeugrhythmen abwechseln und den Fortgang der Geschichte abzeichnen. Der Gesamteindruck des Albums bleibt ein ruhiger, niemals jedoch langweiliger.
Wenn es einen Schwachpunkt zu verzeichnen gibt, dann liegt er in der Dünne der atmosphärischen Dichte. Dass Fischer das Album alleinverantwortlich eingespielt hat, ist ihm leider anzumerken. So hochwertig die Kompositionen und musikalischen Ideen sein mögen, man hat nicht das Gefühl, mehrere Schichten entblättern zu müssen. Insbesondere das wiederum beckenlastige Schlagzeugspiel wirkt hier entlarvend, aber auch die teils recht einfachen (und dennoch höchst effektiven) Akkordanschläge auf der E-Gitarre komprimieren den angepeilten Wall-Of-Sound zur Schmalheit eines Blatt Papiers.
Höhepunkte liegen in den hypnotischen “Where The Shadows Flare”, “Wake Up”, dem melancholischen “neilA” und dem epischen “A Trip To Moon Citys Deepest Area”. Sie allesamt überzeugen bezeichnenderweise aufgrund ihrer einfach gehaltenen, aber enorm starken Kompositionen.
FAZIT: Die Story fesselt wie ein alter Groschenroman, den man auf dem Dachboden der Großeltern gefunden hat: Sie ist nicht wirklich komplex oder innovativ, aber man muss unbedingt wissen, wie es weitergeht. Die rudimentäre Erzählweise rein über die Songtitel wird musikalisch mit wechselnden Übergangspassagen ausgefüllt, die sich mal in Sachen Tempo, mal in Sachen Instrumentierung atmosphärisch verändern. Leider wirkt das Ganze aufgrund der One-Man-Show in der Besetzung nicht wirklich dreidimensional oder episch, sondern eben nur wie das, was es ist: eine zweidimensionale Geschichte. Doch wenigstens eine solche, der man gerne lauscht. Stay tuned, es geht noch weiter!
“Starship neilA” kann - ebenso wie alle anderen Werke, die auf der MySpace-Seite (siehe Link) zu begutachten sind - als mp3-Download erworben werden. Aus erster Quelle darf ich weitergeben, dass Feilschen erlaubt und erwünscht ist. ;)
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.05.2009
Udo Fischer (Alles)
Eigenvertrieb
38:27
01.10.2008